Ich wollte schon immer alleine reisen, habe es mich aber früher nie getraut. Meine erste Solo-Reise begann so: Ich war mit einem Freund auf dem Weg nach Portugal. Dort angekommen, entschied er sich dafür, zu bleiben – ich stand plötzlich alleine da. Meine erste Reaktion war Panik. Ich fühlte mich zu schüchtern, um alleine weiterzumachen. Spontan bin ich einer Tramper-Gruppe auf Facebook beigetreten. Sofort habe ich mich wohler gefühlt, denn ich hatte verstanden, dass ich dort immer einen Partner zum Reisen und Trampen finden kann.

Vor einem Jahr bin ich dann alleine von Ungarn nach Marokko getrampt. Ich wollte so weit weg wie möglich, und ich war vorher nie außerhalb von Europa gewesen. Ich hatte fast nichts dabei – nicht einmal ein Zelt oder einen Schlafsack. Ich habe oft Couchsurfing benutzt, aber mir auch die Frage gestellt: Was passiert, wenn ich keinen Host finde? Manchmal laden dich Leute zu sich nach Hause ein. Viele würden sich in so einer Situation bestimmt unwohl fühlen, denn man kann die Ereignisse nicht kontrollieren. Dafür bekommt man die Details des Alltagslebens von Menschen mit, die man auf anderem Wege nie sehen würde, die Realität der Orte sozusagen.

Als Tramper ist man eigentlich ein Psychotherapeut: Nach drei Stunden im selben Auto möchten die Fahrer ihre Geschichte mit dir teilen, auch wenn sie sonst nie über ihre Probleme reden würden. Man reist quasi durch verschiedene Welten und trifft Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, die man sonst vielleicht nie treffen würde. Das ist anders, wenn man ein Hotelzimmer reserviert oder einen Trip bucht.

Ich habe Kunstgeschichte in Budapest studiert. Als ich nach der Marokko-Reise dorthin zurückkehrte, fühlte ich, dass ich nicht mehr weiterwusste in meinem Leben. Ich brauchte eine Veränderung. Ich nahm mir meine Zeit, um mich von meinem Land zu verabschieden. Aus persönlichen und politischen Gründen wollte ich Ungarn verlassen: Nach der Wahl im Frühjahr 2018 war ich mit der politischen Situation nicht mehr zufrieden. Leider sieht es nicht so aus, als ob sich in Zukunft etwas bessern würde.

So bin ich zum zweiten Mal nach Marokko gereist. Ich habe mich viel sicherer gefühlt, auch als ich alleine getrampt bin. Nun habe ich Lust, mich für einige Zeit an einem Ort niederzulassen und meine Doktorarbeit im Fach Kunstgeschichte zu beenden. Ich bin zurzeit etwas reisemüde und möchte nicht mehr bloß Eindrücke und Geschichten sammeln. Auch wenn diese spannend und faszinierend sind – ich möchte etwas aus diesen Erfahrungen entstehen lassen. Ich weiß nur noch nicht, in welcher Form.

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