In Mexiko tut der Staat kaum etwas für die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Um nicht zu sagen, er blockiert sie sogar. Deswegen habe ich mit drei Mitstreitern den Verein Compañeras gegründet.

Carolina – Vorkämpferin für Menschen mit Behinderung

Schon als Kind hatte ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Meine Mutter hatte sich den Kampf um Arbeitnehmerrechte zum Beruf gemacht und war mein Vorbild. Nach meinem Jurastudium wurde auch ich im Arbeitsrecht tätig. Dazu kam bald mein Engagement für Menschen mit Behinderung. Mein damaliger Freund saß im Rollstuhl. Es machte mich traurig und wütend, mitansehen zu müssen, wie er vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wurde. In Mexiko sind barrierefreie Gebäude eine Seltenheit. Hier können junge Rollstuhlfahrer nicht eben einen Kaffee trinken gehen, denn sie kommen nicht rein in das Café – genauso wenig wie in die Busse oder Einkaufszentren. Ab sofort kannte ich nur noch eine Berufung: Die Inklusion Behinderter.

Mit drei Mitstreitern gründete ich die Compañeras – ein autonomer und ehrenamtlicher Zusammenschluss, der Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung zurück in die Gesellschaft holen möchte. Unsere Autonomie ist mir sehr wichtig, denn der mexikanische Staat tut kaum etwas für die Inklusion Behinderter. Um nicht zu sagen, er blockiert sie sogar. Behinderte haben in Mexiko keine Rechte. Die Compañeras fahren von Dorf zu Dorf und bieten den Menschen Schreib-, Lese-, Stick- und Bastelkurse an, wir gehen mit ihnen ins Kino, in Cafés und ins Museum, reden mit ihnen und unterstützen ihre Familien. In Schulen geben wir Workshops, die darauf abzielen, die Diskriminierung behinderter Menschen zu beenden. Wir verdienen nichts und sind auf Spenden angewiesen.

Auf unsere Erfolge bin ich stolz: Wir haben 30 Personen eine Schulausbildung ermöglicht. Gustavo mit Down-Syndrom etwa: Bis er 27 Jahre alt wurde, hatte er niemals eine Schule besucht. In Mexiko denkt man, behinderte Kinder bräuchten keine Schulausbildung. Wir vermittelten ihn vor sechs Monaten an eine Förderschule. Jetzt schwimmt und tanzt Gustavo, er artikuliert sich und kann einen Computer bedienen – Dinge, die er vorher nicht konnte.

Gustavo zeigt auf rührende Art Dankbarkeit: Er schreibt mir seitenlange Briefe mit Zeichnungen, in seiner ganz eigenen Schrift, die niemand lesen kann. Darin bedankt er sich für unsere Hilfe und nennt mich seine beste Freundin. Das sind die schönen Momente meiner oft harten Arbeit, die mein Herz erweichen. Und dann weiß ich: Gegen keinen noch so gut bezahlten Job möchte ich meine Arbeit mit diesen wundervollen Menschen tauschen.

Menschen wie Gustavo geben uns Compañeras viel Mut, weiterzukämpfen. Was ich mir wünsche? Dass die Inklusion behinderter Menschen in Mexikos eines Tages so fortgeschritten sein wird wie in Deutschland. Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg.

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