Wildbeeren und Fisch im Brot – Die finnische Küche

Wildbeeren und Fisch im Brot – Die finnische Küche

Auf meiner Reise entlang der Westküste Finnlands habe ich bereits zahlreiche lokale Spezialitäten probieren dürfen und viel über finnische Beeren und Kräuter gelernt. Bei dem Thema sind die Finnen auch sehr mitteilungsbedürftig, denn seit einigen Jahren findet hier eine Art Food-Revolution statt. Es wird bewusster gekocht und gegessen. Die Finnen legen viel Wert auf lokale Produkte. Der fünfjährige Sohn eines Freundes wünschte sich beispielsweise nichts sehnlicher, als seine eigenen Gurken anbauen zu können. Somit gab es zum Geburtstag ein Gemüsebeet statt Computerspiel. Kürzlich erntete er seine ersten Gurken.

Food

Los geht's!

„Ich empfehle dir, das Frühstück auszulassen und hungrig zum Treffpunkt zu erscheinen!“ Was Heather da in ihrer Email schreibt, klingt fast wie eine Kampfansage. Den Kampf nehme ich gerne auf, denn es geht auf Food Tour durch Helsinki. Ich möchte mehr über die Revolution der Kreuzbeeren und Nesselblätter lernen.

Der finnische Supermarkt

Heather und ich treffen uns unter der Uhr. Sie checkt gerade noch ein; eine Freundin und sie buhlen um die häufigsten Check Ins an diesem Ort. Die Uhr baumelt vom Vordach des traditionellen und größten Kaufhauses Finnlands, dem 1862 erbauten Stockmann. Sie ist gar nicht so groß, aber die Helsinkis brauchen nur sagen: „… an der Uhr“ und jeder weiß, wo der Treffpunkt ist.

Nach einem herzlichen Hallo, betreten wir die große Haupthalle Halle des Kaufhauses. Sofort fallen mir die gülden glänzenden Aufzüge ins Auge. Bis zum Jahr 1982 wurden sie noch von den Lift Ladies bedient. Heute muss man leider selbst die Knöpfe betätigen. Dann nehmen wir lieber die Treppe.
Es geht in den Keller, in den Stockmann Supermarkt. Am Eingang befindet sich das Aktionsregal, prall gefüllt mit Grill-Spezialitäten, so wie es derzeit sicher überall in Nordeuropa Usus ist. Daneben steht schon mein erstes Highlight: das Regal mit den Zutaten für die 20 Minuten Menüs. Auf dem Tischchen gibt es das passende Rezept dazu.
Heather hat die unglaubliche Gabe, sogar Geschichten über verschiedene Brotsorten und Kartoffeln spannend zu machen. Die Kombination der beiden ergibt übrigens eine finnische Spezialität an der man absolut nicht vorbei kommt und die auch auf jedem Hotel-Frühstücksbuffet zu finden ist: Piirakka. Piirakka sind mit Brei (aus Reis, Kartoffeln oder Möhren) gefüllte Teigtaschen. Am liebsten essen die Finnen sie mit Eibutter.

Senf-Boykott als Zeichen gegen Globalisierung

Die schönste Anekdote erzählt Heather mir (es ist wirklich wahr!) beim Senf. Die Produktion des traditionellen Turun Sinappi, wurde nach dem Kauf durch eine große internationale Firma, zunächst nach Schweden und später nach Polen verlagert. Das fanden die Finnen gar nicht witzig und boykottierten die Marke. Und tatsächlich: seit der Konzern den Senf wieder in Finnland produziert, steht in den finnischen Haushalten wieder Turun Sinappi. Genauso wie viele andere Produkte mil blauen Siegel, welches lokale Produkte kennzeichnet.
Nachdem wir ein Scheibchen Wurst an einem Werbestand gekostet haben, schleift mich Heather zu der Fischtheke. Die ist so groß, dass sie nicht in unsere Berliner WG-Küche hineinpassen würde. Hier gibt es Lachs- und Hering in allen erdenklichen Formen und Varianten. Eine nette Dame reicht uns Schwarzbrot mit Frischkäse und geräuchertem Lachs über die Theke. Ich muss aufpassen, dass ich mir das gute Stück nicht direkt komplett in den Rachen schiebe, denn ich habe mittlerweile ordentlich Hunger (Frühstück habe ich, wie empfohlen, brav ausgelassen).

Während ich vor mich hin mampfe und mir die schön dekorierte Auslage ansehe, fallen mir plötzlich die großen Alufolien-Klumpen auf. Heather erklärt mir, dass das Kalakukko ist: ein traditionelles Gericht aus der Region Savo, bei der der Fisch ins Brot hineingebacken wird. Die Frauen haben es damals ihren Bauern und Fischermännern als Mittagsspeise gebacken. In der Tat, so früh morgens weckt der Anblick noch keine Gelüste bei mir.

Ich esse ab jetzt immer Brei

Ganz anders ist es bei unserem nächsten Boxenstopp, dem Kuppi & Muffini, wo es das beste Porridge der Stadt gibt. Der Haferbrei ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der finnischen Küche. Es gibt ihr morgens zum Frühstück oder im Winter zwischendrin zum aufwärmen. Wir bekommen eine Schüssel Brei in die Hand gedrückt. Mit ihr gehen wir zum Tresen an der Wand. Hier stehen Weckgläser mit Leckereien zum Verfeinern des Breis. Ich entscheide mich für Granola, schwarzen Sesam, Nüsse und richtig viel Erdbeersoße. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Heather sich über ihr  streut. „Das ist der neuste Schrei. Das musst du probieren!“, fordert mich Heather auf. Sie hat recht und ich wittere sofort eine neue Sucht. Von nun an gibt es zu Hause morgens nur noch Porridge mit Chili.

Der schönste Späti der Stadt

Durch Würze und warmen Brei aufgewärmt, spurten wir durch den Regen. Auf dem Weg erzählt Heather etwas über die verschiedenen Gebäude und die Geschichte Helsinkis. Unter einem Baugerüst angekommen denke ich zunächst, dass wir uns unterstellen, aber wir gehen in den Späti. So würden wir in Berlin den kleinen Tante Emma Laden nennen, in dem eine Türglocke gerade unseren Besuch einläutet. Wir sind im Kaartin Kotikauppa.
Es gibt hier alles: Gemüse, Obst, verpackte Lebensmittel, eine Bäckerei, Drogerieprodukte und Helsinkis größten Kühlschrank. Der ist durch eine Glastür mit dem Laden verbunden. Wir gehen hinein (ja, in den Kühlschrank).

„Willkommen im größten Kühlschrank der Stadt“, sagt Heather. Hier befinden eine Menge Milchprodukte, was jedoch eine ganz nebensächliche Tatsache ist. Eigentlich geht es um die Regale ganz vorne, wenn man in den Kältekasten hineinkommt. Dort stehen Biere und Cidre in sämtlichen Variationen. Es scheint, als stünde jedes alkoholische Getränk bis 4,7% hier im Regal (Finnland hat 60 Mikrobrauerein, das soll also was heißen).
Irgendwann wird uns doch zu kalt im Kühlschrank. Heather stibitzt noch einen Cidre und wir gehen zurück zum freundlichen Späti-Besitzer, der uns bereits kleine Piirakka und Kalakukko zum Probieren aufgeschnitten hat. Noch ein kleiner Schwatz und schön müssen wir weiter.

Alko das Alkohol Monopol

Vielleicht habt ihr eben bei der Information gestutzt, dass es in dem Späti sämlitche alkoholische Getränke nur bis 4,7% gibt. Das Alkoholgesetz in Finnland ist sehr streng. Alleine die Supermarktkette Alko hat die Lizenz, hochprozentigeren Alkohol zu verkaufen. Dazu zählen auch Weine und Spirituosen. Fazit: wenn ihr in Finnland eine ordentliche Bolognese machen möchtet, müsst ihr extra in den Alko, um Rotwein zu kaufen.

Dort aber gibt es dafür ganz besondere Einkaufshilfen, wie zum Beispiel dieses iPad. Ihr könnt anklicken, was ihr abends essen möchtet, wie viel Geld ihr ausgeben wollt und in welche Geschmacksrichtung der Wein gehen soll. Das Programm spuckt euch dann Vorschläge aus. Sehr hilfreich, wie ich finde.
Das strenge Gesetz hat aber auch zur Folge, dass die täglich 17 (!) Fähren in das 2 Stunden entfernte Tallinn außerordentlich gut besucht sind. Hier kann man den Alkohol meist 70% günstiger kaufen. Kaum auszumalen, was der finnischen Wirtschaft dann an Geld flöten geht.

Mit Bier werde ich nicht warm

Gerade beginnt es wieder zu regnen. Durch das prasselnde Nass eilen wir zur Mikrobrauerei Bryggeri. Auweia, ich mag doch kein Bier! Seit Jahren versuche ich es immer wieder und wenn es nicht bis zur Unkenntlichkeit mit Blaubeer-Sirup und Co. gepanscht ist, mag ich es nicht. Und genau: dann ist es auch kein Bier mehr. Dennoch will ich es heute wieder versuchen.

Die Bryggeri, die im Jahre 2013 eröffnet hat, führt 40 verschiedene Biere. Heute scheint nicht gebraut zu werden. „Das würden wir sofort riechen“, erklärt Heather. Wir nehmen in der Gaststube Platz und bekommen sogleich ein Probetablett mit vier Bieren kredenzt. Dazu gibt es Bratwurst und Kartoffelsalat. Lecker! Letzteres verputze ich komplett. Beim Bier reicht die Spanne von: „Uh, ach herrje wohin damit“ bis „Joah, gib mir 3 Stunden, dann hab ich’s vielleicht geschafft“. Da aber alle anderen Menschen um mich herum bierselig grinsen und auch Heather keinen Tropfen übrig lässt, scheint das Bier sehr gut zu schmecken.

Käse und Bärenfleisch in der ältesten Markthalle Helsinkis

Mit Wurst und Erdäpfeln im Magen rolle ich Heather hinterher. Wir kullern hinunter zum Hafen, wo sich die Vanha Kaupahalli, die Alte Markthalle, befindet. Sie steht dort bereits seit 1888 und ist oft erste Anlaufstelle für die ankommenden Gäste auf den Kreuzfahrtschiffen. Daher kann es zur Schiffs-Rushhour schon mal voll werden.
Wir haben Glück, denn es ist nicht sonderlich überfüllt. Und so können wir unseren Magen direkt an einem der ersten Stände mit Käse schließen (als sei er nicht schon leicht überfüllt). Neben den Restaurant-Ständen gibt es hier sehr viele Marktstände mit lokalen Spezialitäten, sogar Honig aus Helsinki. In der Stadt gibt es tatsächlich zahlreiche Bienenstöcke aus denen Honig gewonnen wird.

Eine wenig stutzig werde ich bei dem Dosenfleisch, welches sich neben dem Honig türmt. Eigentlich total naheliegend, aber dennoch im ersten Moment verstörend: Bärenfleisch! Selbst Heather hat noch keins probiert. Ich überlege erst, eine Dose mitzunehmen, weil ich selten vor etwas Halt mache, dass es zu probieren gibt. Aber letztlich bringe ich es dann doch nicht über’s Herz.

Neben der Markthalle, gegenüber des Havis Amanda, dem Wahrzeichen Helsinkis, befindet sich noch ein kleiner Wochenmarkt. Heather möchte mir hier eine Konfitüren-Dame vorstellen, doch sie hat wahrscheinlich wegen des anhaltenden Regens bereits ihr sieben Sachen gepackt.
Eben weil es doch ganz schon nieselt, rennen wir, so gut an mit vollem Magen geht, zu unserem letzten Stop.

Zum Finale: Schokolade

Der Mensch hat bekanntlich zwei Mägen. Einer für alles mögliche und einen für Nachtisch; denn Nachtisch geht immer.
Das große Finale steht an: ein Besuch im Fazer Café. 1981 eröffnete das Schokoladenparadies hier seit Pforten. Fazer ist der Schokoladenhersteller Finnlands und auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Kaum sind wir durch die schwere Eingangstür hindurch, habe ich das Gefühl, plötzlich in Willy Wonkas Traumwelt angekommen zu sein. Meterhoch stapeln sich hier in Glitzerpapier gewickelte Tafeln Schokolade. In den Vitrinen sind die hübschesten Törtchen und leckerstes Gebäck. Sich hier zu entscheiden wird eine Qual. Wir nehmen an einem Tisch Platz (kaum zu glauben, dass wir überhaupt einen Platz ergattern können), der direkt neben Eero Paulamäkis Werkstatt ist. Durch eine riesengroße Scheibe sehe ich die kleine Küche des Meister Konditors hinein, von deren Tisch mir Zuckerschwäne zulächeln. Hier kreiert der Meister seine neusten Schweinereien.
Während Heather uns Kuchen und Kaffee bestellt, sehe ich mich um und kaufe natürlich ein paar Tafeln für zu Hause. Mit dabei: Schokolade mit salzigem Popcorn und knuspriges Karamell mit Meersalz.

Ich bin keine Süße, sage ich immer, denn ich nasche lieber herzhaft. Aber bei diesen Kuchen mache ich eine Ausnahme. Es schmeckt köstlich! Besser hätte unsere Foodtour durch Helsinki nicht enden können.

Mit Heather On Tour

Heather, ein wahrer Vollblut Foodie, bietet seit 2014 Touren in Helsinki an. Sie kann euch sagen, dass Rentier am besten als Aufschnitt schmeckt, es in der Torni Bar den besten Ausblick auf die Stadt vom Frauenklo aus gibt, dass man sich in der Decades Bar Cocktails nach Belieben und im Sommer mit lokalen Beeren mixen lassen kann und erklären, was eine Berlusconi Pizza ist.

Ihre Touren könnt ihr hier buchen: Heather’s Helsinki.

  • Preis: 85 EUR pro Person (inkl. Speisen und Getränle)
  • Die Touren finden von Montag bis Sonntag statt. Während der Sommermonate dürft ihr Heather aber auch fragen, ob sie an einem Sonntag eine Ausnahme macht.
  • Buchen könnt ihr per Mail oder telefonisch unter +358-40 823 7446

Mittlerweile bin ich wirklich ein riesengroßer Fan von Food-Touren geworden. Habt ihr auch schon eine mitgemacht? Schreibt mir gerne unten in die Kommentare, welche Food-Tour ich unbedingt mal mitmachen sollte!

Vielen Dank, liebe Heather, dass du mir die Vielfalt der finnischen Küche und Helsinkis gezeigt hast. Es war ein ganz wunderbarer Tag mir dir und ganz ehrlich: dich kann man einfach nur ins Herz schließen. Mach’ weiter so!

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