Wie ich das Alleinreisen für mich wiederentdeckte

Wie ich das Alleinreisen für mich wiederentdeckte

Alleinreisen ist wie Fahrradfahren: Einmal “gelernt”, kann man es sein Leben lang. Zum Glück! Nach zu viel Zweisamkeit hatte ich da meine Zweifel. Auf einem ungewollten Solotrip nach Kuala Lumpur entdeckte ich meine Liebe an die große Freiheit wieder. Ein Gastbeitrag von Reisebloggerin und Autorin Annika Ziehen

Reiseinspiration

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    "Solotrip – Vom Glück des Alleinreisens" ist im Mai 2017 im Rowohlt-Verlag erschienen.

Allein in der Großstadt

Es ist so laut, wie man es eben erwarten kann, wenn das Hotel, in dem man sich eingebucht hat, mitten in einer belebten Marktstraße liegt. Aber wenigstens hat der Typ, der heute Morgen beim Frühstück die ganze Zeit "Yalla, yalla!" geschrien hat, aufgehört und eigentlich mag ich den Krach. Nein, Krach klingt zu negativ – es sind eben die typischen Geräusche einer asiatischen Großstadt. Sie halten mich nachts nicht wach, ich bin das Großstadtleben gewöhnt, und sie geben mir das Gefühl, nicht allein zu sein. Für den Moment bin ich Teil der Stadt, Teil eines Ganzen.

Dann fängt mein Hotel an, mich mit dem Titanic Soundtrack zu beschallen. Anscheinend wollen sie, dass ich mich noch ein bisschen weniger allein fühle. Mir wäre ein zweites Bier lieber.

"The island is trying to kill us"

Ich bin für drei Tage in Kuala Lumpur auf einem sogenannten "Visarun" nach fast zu vielen Tagen in Thailand und mitten in Chinatown gelandet. Für einen dreimonatigen Thailand Aufenthalt muss man das eben auf sich nehmen oder besser organisiert sein und  von vorne herein ein längeres Visum beantragen. Ich habe also unfreiwillig Kuala Lumpur gewählt, aber schlimm finde ich es nicht. Drei Nächte Großstadt allein nach vielen Wochen vermeintlicher Kleininsel-Idylle zu zweit und obendrein billig.

Ich bin müde mit kratzendem Hals und wattigem Kopf gelandet. In der Tauchschule auf Koh Tao machen wir Witze – "The island is trying to kill us". Langsam kann ich nicht mehr lachen, denn ich hab die Nase voll vom krank und angeschlagen sein. Mein – nennen wir ihn einfach mal meinen Freund –kümmert sich rührend, aber langsam nervt seine Besorgnis ein bisschen. Genauso wie das ständige Aufeinanderhocken. Wir wohnen in einer Hütte, wo der übergroße Kühlschrank und heißes Wasser der größte Luxus sind. Unser Badezimmer hat statt Tür einen Duschvorhang. Das mit dem laute Musik  spielen, wenn einer auf dem Klo sitzt, haben wir schon lange aufgegeben und dabei ging die Romantik mit drauf.

Kann ich überhaupt noch Alleinreisen?

Ich freue mich auf Kuala Lumpur. Trotz der Tatsache, dass ich die Stadt beim ersten Mal nicht sonderlich interessant fand, trotz des kratzenden Halses und dem wattigen Kopf. Gleichzeitig überkommen mich Zweifel, ob ich das nach soviel Zweisamkeit, einer Reise mit meinem Vater und einer längeren Pressereise überhaupt noch kann mit dem Alleinreisen.

Am Flughafen angekommen geht es los. Ich fühle mich fix und fertig, obwohl es erst früher Nachmittag ist. Taxi – ja oder nein? Uber oder Geldautomat? Fragen die mich überfordern, so wie den Taxifahrer die Adresse meines Hotels überfordert. Nachdem wir sinnlos um den Block gefahren sind, bevor er endlich das Navi einstellt, fragt er mich, ob ich böse mit ihm sei. Er hat Recht, ich bin böse. Aber ich mag seine Direktheit und erkläre ihm beschwichtigend, dass ich nur müde bin und endlich ankommen will. Er lacht versöhnlich und ein paar Minuten später sind wir tatsächlich da.

Mit Macbook und Handy ist man weniger allein

Nachdem ich eingecheckt habe, gehe ich auf die Suche nach einem frühen Abendessen. Auch hiermit tue ich mich schwer. Die Empfehlung aus dem  TimeOut für die besten Hokkien Mee ist zwar genau auf der anderen Straßenseite, aber nicht besonders lecker. Der Hunger treibt's rein und ich freue mich stattdessen, nur 2 Euro ausgegeben zu haben.

Dann ruft mich mein Bett. Das ist zwar gemütlich, aber ungewöhnlich leer. Wieder stellt sich mir die Frage, ob ich das mit dem Alleinreisen noch kann. Statt mich krakenartig auf der ganzen Matratze auszubreiten, kuschele ich mich in die eine Ecke während Macbook, Handy und Kamera auf der anderen Seite schlafen dürfen. Blinkende Stecker sind auf einmal beruhigend.

Geselliges Schweigen mit dem Nudelsuppenmann

Am nächsten Morgen fühlt es sich schon wieder wie immer an, wenn ich allein schlafe. Ich wache auf, spät für meine Verhältnisse, und greife  schlaftrunken nach meinem Liebsten, dem iPhone. Ich lese E-Mails, verschwende Zeit auf Facebook und gucke was Kuala Lumpur an Pokémons zu bieten hat. Danach ein typisches Frühstück bei dem ich vergesse, meinen Kaffee zu trinken, während ich schon eifrig tippe und das nur von dem  Yalla-Yalla-Mann gestört wird. Von da aus geht es zurück ins Bett, Do not disturb an die Tür und ich versuche, mich mit dem schneckenhaften W-Lan anzufreunden und Bilder hochzuladen.

Um die Mittagszeit werfe ich mir ein Kleid über und begebe mich ins Getümmel. Die Verkäufer sind nur ein bisschen nervig und bis auf einen Restaurantbesitzer, der mir die Karte fast ins Gesicht schlägt, werde ich nicht belästigt. In einer Halle mit mehreren Ständen werde ich fündig – Nudelsuppe mit Meeresfrüchte-Dumplings. Die Suppe ist gut und noch billiger als mein Abendessen vom Vortag. Der Standbesitzer setzt sich ungefragt an meinen Tisch, um ebenfalls Mittag zu essen. Er sucht keine Unterhaltung und ist auch nicht sonderlich an einem Feedback zu seiner Suppe interessiert. Er will nur sitzend seinen Reis essen. Irgendwie mag ich ihn.

Mein Ding machen. Oder lassen.

Den Rest des Nachmittags verbringe ich damit, eine Sim-Karte mit 4G zu organisieren – ein Unterfangen, was sich als nicht leicht herausstellt. Zu guter  Letzt bin ich erfolgreich und finde noch ein kleines Café, das ein richtiger Instagram-Himmel ist und tolle Rosenlimonade verkauft. Auch wenn ich damit keinen Stern für authentisches Reisen verdiene, gelobe ich, zum Dinner wiederzukommen.

Danach: SleepRepeat. Ich habe zwei volle Tage in Kuala Lumpur und will absolut nichts sehen. Keinen Vogelpark, keine Petrona-Türme, keine Moschee. Ich will arbeiten, mich über das Internet aufregen und jeden Tag mehr Dumplings essen. Oder auch nicht. Ich will nicht planen, nicht fragen und abstimmen und erst recht keine Kompromisse eingehen müssen. Ich will meine Meinung ändern, zu viel Zeit in meinem Hotelbett verbringen und mich darüber freuen, dass ich das und noch viel mehr einfach machen kann. Weil ich alleine reise und weil das zum Glück wie Radfahren ist – einmal gelernt kann man es für immer.

Warum ich gerne alleine reise

Wenn mich Leute fragen, warum ich so gerne alleine reise und ob ich mich dabei nicht schrecklich langweile / jemanden vermisse / Angst habe, dann ist meine Antwort immer dieselbe: die große Freiheit und Nein. Ich liebe diese Freiheit, ohne Kompromisse reisen und sein zu können. Zu entdecken und das zu tun, was ich eben will oder auch mal nicht will. Klischee-Tourist sein oder mich wie Anthony Bourdain in die dunkelsten Kaschemmen wagen. Den Tag zu verplempern oder durchzutakten. Große Sprünge oder kleine Schritte zu machen. Je nach Lust und Laune, Tagesform und ohne jemanden Fragen zu müssen oder ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich dann doch noch ein paar mal meine Meinung ändere.

Diese Freiheit ist für mich berauschend und das Tolle ist, das sie ganz unabhängig vom Ort ist. Beim Alleinreisen geht es in erster Linie nicht um das perfekte Ziel, die perfekte Soloreise-Destination. Es geht darum, sich aufzumachen und in Bewegung zu setzen, aber wohin die Reise geht, ist dabei erstmal egal. Das kann eine mäßig lieb gewonnene Großstadt in Südostasien sein, Kalifornien in Amerika oder Kalifornien an der Ostsee – der Weg und das In-Bewegung-Sein sind das Ziel. Die große Freiheit kannst du nämlich auch auf einem Solotrip im Nachbardorf finden, besonders, wenn es da  Dumplings gibt.

Egal wohin: Tipps für den ersten Solotrip

Vorbereitung

Barfuß oder Lackschuh – die große Freiheit beim Alleinreisen fängt schon im Vorfeld an. Lonely Planet, Traumschiff, National Geographic oder der Tui-Katalog – lass dich inspirieren und versuch mal, nur auf deinen Bauch zu hören. Ohne Wenn und Aber  – wo möchtest du hin?

Unterkunft

Buch dir auf jeden Fall ein Hotel für die ersten ein, zwei Nächte. Damit fühlt man sich bei der Ankunft nicht so verloren und hat erstmal eine Basis, um den Jetlag zu überwinden, die Destination zu erkunden und weitere Pläne zu schmieden.

Transfer

Besonders wenn ich nachts ankomme, lasse ich mir eigentlich immer einen Transfer von meinem Hotel buchen. Ansonsten lasse ich mir zumindest Tipps geben mit welchen öffentlichen Verkehrsmitteln ich vom Flughafen ans Ziel komme oder ob es Dinge gibt, die ich fürs Taxi beachten muss. Ich habe die  Hoteladresse  auch immer in Landessprache dabei und die  Telefonnummer – just in case.

Bargeld

Bargeld ziehe ich meistens direkt am Flughafen mit meiner Kreditkarte der DKB Bank. Für viele Länder kann man sich keine Landeswährung in Deutschland besorgen und Wechselstuben sind oft teurer.

Handykarte

In vielen Ländern kriegt man einfach eine Prepaid-SIM-Karte fürs Handy (anders als in Deutschland). Die eignen sich super, um im Notfall einen Anruf tätigen zu können als auch für Apps wie Uber, Google Maps und Translate.

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