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Evelyn
Mein Name ist Evelyn und ich bin süchtig; nach Ab …
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Stippvisite auf dem Weserbergland-Weg
Seit ich diesen Sommer in Österreich wandern war, habe ich Blut geleckt; Wander-Blut. Ich finde es wahnsinnig befreiend, fernab von Straßenlärm und vollen Shoppingmeilen durch die Natur zu spazieren. Das Rauschen der Autos wird vom Rauschen der Blätter im Wald abgelöst. Statt nur bis zur nächsten Betonwand, kann ich auf eine wunderschöne Landschaft sehen. Aber muss man dafür eigentlich bis in die Alpen fahren? Das teste ich dieses Wochenende auf dem Weserbergland-Weg.
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Wanderung Tag 1
Hutewald Rundweg 6 km
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Wanderung Tag 2
Schaumburg-Schillat Höhle 8km Schillat Höhle-Hohenstein 6km
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Wanderung Tag 3
Bodenwerder-Daspe 7km
Das Hutewaldprojekt
In Hamburg steige ich in den ICE Richtung München. Nach nur zwei Stunden erreiche ich Göttingen, wo mir gerade noch vier Minuten bleiben, um meinen Anschlusszug zu erreichen. Ich hetze die Treppen an Gleis 10 hinunter, springe wie in einem Computerspiel Hindernissen auf dem Sprint zum Gleis 4 aus dem Weg und hüpfe die Stufen hoch zum bereits wartenden Zug.
Geschafft! Erstmal entspannen. Ich krame mein Buch aus dem Rucksack und lasse mit von Benedict Wells etwas Vom Ende der Einsamkeit erzählen. Das durch die Bäume fallende Licht flackert wild auf meinen Buchseiten. Ich sehe aus dem Zugfenster.
Ein riesiger Greifvogel kreist über dem Wald. Schnuckelige Fachwerk-Dörfer sausen vor meinen Augen vorbei. Auf den Hügeln wechseln sich noch immer saftig grüne Weiden mit den teilweise langsam gelb werdenden Bäumen ab. Nach ungefähr einer Stunde mit der Regionalbahn erreiche ich Bodenfelde.
Von hier aus geht es in den Hutewald, wo der Forstwirt Frank bereits mit einem prall gefüllten Picknick Korb wartet. Während wir Brötchen mit regionalen Wurstspezialitäten mampfen, erzählt er mir von dem Waldprojekt.
Vor gerade noch 200 Jahren war es noch Gang und Gäbe, die Rinder zum Fressen in den Wald zu schicken. Im Laufe der Zeit und der Entwicklung der Massentierhaltung kamen die Tiere erst auf die Weide. Die traurige Bilanz: kahle Flächen und artenarme Vegetation.
Das Hutewaldprojekt testet nun, was passiert, wenn sich ein Wald wieder natürlich entfalten kann und hat Heckrinder und Exmoor-Ponys in den Wald geschickt, um zu schauen, wie sich der Wald entwickelt, wenn er von den wilden Tieren bewirtschaftet wird. Bereits nach wenigen Wochen konnte man einen Anstieg der Population verschiedener Käferarten und kleinen Pflanzen verzeichnen.
Das möchte ich mir genauer ansehen. Der Hutewald ist für die Öffentlichkeit zugänglich und nur durch ein paar Gatter von anderen Waldabschnitten getrennt. Schon nach wenigen Metern sehen wir an einem Bachlauf zwei wilde Ponys grasen. Wir haben Glück, denn das ist ein seltener Anblick. Man kann stundenlang durch den Wald spazieren und weder einem Rind noch einem Pony begegnen. Frank erklärt, dass die Tiere es irgendwie schaffen, sich tagsüber nahezu unsichtbar zu machen. Erst in der Dämmerung wird es wieder einfacher, Tiere zu erspähen. Ich muss ein wenig kichern, weil ich mir vorstelle, wie sich die dicken Rinder gerade hinter einem umgekippten Baum vor uns verstecken.
Wir spazieren noch ein wenig durch den Wald und entspannen auf einer der Holzliegen an einem See, bevor wir weiter nach Schaumburg fahren, wo meine nächste Etappe auf dem Weserbergland-Weg morgen früh startet.
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Wanderung Hutewald Rundweg
6km
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Dinner und Übernachtung
Schaumburger Ritter
Weitblick und Höhlenmenschen
Mit Morgenlektüre in der Hand und Lachs Rührei auf dem Teller mache ich es mir beim Frühstück bequem. Aber nicht zu bequem, denn Tag 2 auf dem Weserbergland-Weg ruft.
Früh (9:30 Uhr ist früh für Samstag) winke ich der Schaumburg zum Abschied und mache mich auf dem Hügel-Kamm (obwohl ich aus dem platten Land komme, kann ich irgendwie nicht Berg schreiben) auf den Weg zur Schillat Höhle.
Ich lausche dem Summen der Bienen. Es knackt im Geäst und ich höre etwas weghuschen. Ein Reiher quakt über den Baumwipfeln des Waldes. Die Bäume machen meine Tour herrlich angenehm, weil sie mir bei den spätsommerlichen 28 Grad Schatten spenden.
Als es wieder bergab geht, schlittere ich einen steilen Abhang hinunter. In Mini-Mäuseschritten husche ich hinunter und hoffe, dass meine Arme den Aufprall am Baum gut abfedern. Als ich wieder ebenerdig gehe, merke ich, dass mein großer Onkel einiges abgefedert hat und meine Schnürsenkel locker sind.
Ich schlängle mich weiter durch die Buschtunnel. Erst als sich der Wald lichtet, sehe ich, dass um mich herum weitere waldige Hügel gewachsen sind. Plötzlich höre ich Geschrei. Es sind zwei Männer auf ihren Mountainbikes, die sich bei schneller Fahrt die Erlebnisse der Woche lautstark erzählen. Ich weiß jetzt, dass das Projekt eigentlich keinen Sinn macht und der Chef ein ignoranter Idiot ist. Als sie an mir vorbei preschen lächle und winke ich
Ein Zitronenfalter flattert einige Zeit munter neben mir her. Ich hatte erst überlegt, mir Musik auf die Ohren zu legen, mich aber dann dagegen entschlossen. Und siehe da: im Takt zu den unter meinem Füßen knirschenden Steinchen wird mein Kopf Schritt für Schritt freier. Ich höre die Vögel zwitschern und mit den Flügeln an die Blätter der Bäume schlagen. Ich atme durch und merke, dass ich seit Langem endlich wieder richtig entspanne und loslasse. Bei dem Gedanken setzt sich ein Brummer schwungvoll auf meine Schulter, ganz als würde er sie klopfen und sagen wollen: „Siehste, hab ich doch gesagt!“
Nach acht Kilometern erreiche ich die Schillat Höhle. Die Tropfsteinhöhle liegt im Süntel und gehört zu einem Steinbruch. Bei Sprengungen am Riesenberg wurde 1969 die erste Höhle entdeckt. Das war eine Sensation, denn mit so etwas hat man im Weserbergland nicht gerechnet. Daher stellte man die Höhle sogleich unter Naturschutz. 1992 entdeckten die Sprengmeister die Schillat Höhle, die man im Rahmen einer Führung besuchen kann. Also, Glück und Sicherheitshelm auf und ab geht es die 45 Fahrstuhl-Meter in die Tiefe!
Bei den 28 Grad Außentemperatur bekomme ich bei der Ankunft in der Höhle und den dort herrschenden 8 Grad einen kleinen Kälteschock. Aber ich habe zum Glück einen Pulli mit (es gäbe aber auch Jacken zu leihen!).
Der Tunnel in dem unsere Gruppe gerade steht, war einst ein unterirdischer Fluss, der jetzt vermutlich noch weiter unten in der Erde verläuft. Während unserer Tour lernen wir etwas über Stalagmiten und die Entstehung der Höhle. Am Ende des ersten Tunnels führt ein Weg nach draußen. Hier befindet sich der ursprüngliche Eingang zu Schillat Höhle. Als ich hier die steile Steinwand hochblicke, wird mir bewusst, wie tief im Berg wir sind.
Während wir weiter durch die Höhle marschieren und uns Vitrinen mit fluoreszierenden Steinen und Fossilien ansehen, begegnet uns Jürgen - quasi ein Höhlenmensch. In seiner Freizeit gräbt er hier einen Tunnel aus, in der Hoffnung, auf weitere Höhlen zu treffen. Ich bin amüsiert über dieses Hobby, ist Jürgen doch total mit Lehm verdreckt und muss sich in die kleinsten Tunnel zwängen und Stück für Stück den Boden abtragen. Er liebt es aber, was man an seinen strahlenden Augen sieht, als er uns von seinen Abenteuern erzählt. Nach der einstündigen Führung muss ich meine Augen zusammenkneifen, als wir wieder oben sind. Ich hatte fast vergessen, wie hell und warm es heute ist.
In der Mittagssonne wandere ich weitere 6 Kilometer den Weserbergland-Weg entlang. Es geht Hügel auf und Hügel hinab. Vorbei an Bächen, die derzeit kaum Wasser führen und durch wunderschöne Wälder, bis ich schließlich vor einem Berg stehe. Gut, ich muss zugeben, es ist weiterhin eher ein Hügel, aber es geht teils stufenweise steil hinauf.
Gerade als sich ein „Ich mag nicht mehr“, in meinen Kopf schleicht, habe ich die Spitze der Hohenstein Klippen erreicht. Was für ein fantastisches Panorama sich hier vor meinen Augen ausbreitet! Ich setze mich ganz an die Kante (ja, manchmal frage ich mich selbst, ob das wirklich sein muss) und genieße den Ausblick.
Einen perfekteren Abschluss meiner zweiten Etappe hätte es nicht geben können. Die 2 Kilometer zurück zum Parkplatz Baxmann Baude schaffe ich Dank Ausschüttung sämtlicher Glückshormone nun auch noch.
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Wanderung Schaumburg-Schillat Höhle
8km
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Wanderung Schillat Höhle - Hohenstein
6km
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Attraktion
Schillat Höhle









Fast verlaufen!
Der Morgen fängt direkt Herzfrequenz steigernd an. Ich marschiere zum Bismarckturm in Bodenwerder hinauf. Eine Schweiß treibende Angelegenheit, die aber mit einem wunderschönen Ausblick auf das Wesertal belohnt wird.
Als ich wieder atmen kann, suche ich das nächste grün-blaue XW Schild, um weiter auf dem Weserbergland-Weg bis nach Daspe zu wandern. Sieben Kilometer liegen vor mir.
In der Ferne höre ich die Glocken ihre Gläubiger zum sonntäglichen Gottesdienst läuten. Ich spaziere auf einem mit Kleeblättern verzierten Teppich, vorbei an Maisfeldern. Die Gräser kitzeln an meinen Fußgelenken. Brennnesseln hinterlassen rote Schlieren an meinen Schienbeinen. Nächstes Mal sollte ich doch lieber eine lange Hose anziehen.
Ob ich noch richtig bin? Ja, da ist wieder ein Schild. Die Pfeile darauf schicken mich wieder in einen Wald. Auch wenn die Temperaturen sich noch nicht drauf eingestellt haben, wird es langsam Herbst. Das Laub raschelt unter meinen Füßen.
Als ich über eine Landstraße gehe, komme ich plötzlich in einen ganz anderen Wald als zuvor. Hier sind die Bäume wie im Urwald zugewachsen. Dicke Efeublätter ranken sich um die Stämme bis hinauf in die Kronen.
Ein paar Dschungelpfade weiter erreiche ich schließlich ein kleines Waldstück mit dünnen Bäumen und schwups, da haben wir den Salat! Eben dachte ich noch „Wie gut, dass die Bäume am ursprünglichen Wegesrand mit Farbe besprüht sind!“ Jetzt fällt mir plötzlich auf: die sind fast alle markiert. Ich irre ich kurzzeitig von Bäumchen zu Bäumchen, die Äste der umgestützten Bäume knacken unter meinen Füßen. Dann finde ich einen kleinen Weg und an diesem auch meine vertrauten Wegweiser. Ich klettere einen kleine Hang hinauf und stehe plötzlich auf einer riesengroßen Weide. Mitten auf der Weide das Schild; ich soll mich rechts halten. Der Weserbergland-Weg ist wirklich ein buntes Abenteuer.
Den Ausblick genießend, stolpere ich durch die Kuhlen auf dem Feld und wandere bergab, bis ich am Fuße des Hügels auf den Weser-Radweg gelange. Eine Bank! Dort lasse ich mich rauf plumpsen und lege die Füße hoch, um das Flusspanorama ein paar Minuten zu genießen.
Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Parkplatz in Daspe.
Leider bleibt mir nicht mehr genug Zeit, auch die nächste Etappe am Weserbergland-Weg zu erwandern, da die Zeit zu knapp ist, bis mein Zug Richtung Heimat abfährt.
Auf dem Weg nach Hameln zur S-Bahn mache ich noch einen kleinen Zwischenstopp am Schloss Hämelschenburg. Tatsächlich ist dieses Schloss bewohnt. Dennoch kann man einige Räume besichtigen. Da das Wetter aber zu schön ist, um in Puschen über gebohnertes Parkett zu schlittern und alte Gemälde anzusehen, entschließe ich mich für einen kleinen Spaziergang durch den Schlossgarten, hinunter zur Wassermühle. Ich setze mich ein paar Minuten in den Schatten einer großen Eiche an der Emmer, dem Fluss, der hier gemächlich entlang fließt und denke an die letzten Tage zurück:
durch die Natur wandern und den Kopf frei bekommen - so etwas sollte man viel öfter machen und es reicht sogar ein Wochenende dafür!
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Wanderung Bodenwerder-Daspe
7km
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Attraktion
Schloss Hämelschen









Informationen
- Sämtliche Informationen zum Wandern auf dem Weserbergland-Weg, gibt es auf der offiziellen Webseite
- Dort könnt ihr auch kostenlose Prospekte nach Hause bestellen
- Im Weserbergland Navigator gibt es die Etappen auch mobil einzusehen.
- Wo ihr sonst noch in Deutschland wandern gehen könnt, erfahrt ihr bei Top Trails of Germany
Übrigens: die Gastgeber im Weserbergland sind sehr gut miteinander vernetzt. Teilweise bringen sie das große Gepäck der Wanderer selbst von einer Tür zur nächsten Etappen Tür, so dass ihr nur euren Tagesrucksack mitnehmen müsst. Ansonsten bieten die lokalen Taxi-Unternehmen mittlerweile Gepäcktransfers an. Hier könnt ihr euch direkt vor Ort informieren oder beim Weserbergland Tourismus.
Vielen Dank an Weserbergland Tourismus und Top Trails of Germany für diese wundervollen Tage! Sie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, auch mal wieder abzuschalten und wie einfach und schnell es geht, ohne weit reisen zu müssen. Vielen Dank an Lowa für die Wanderschuhe!