Giant’s Causeway
4.5.2013 - 7.5.2013

Uuund... Action: Sommerregen

Es sind wilde Tage. Meine liebgewonnene Berliner Wohnung habe ich bereits an meinen Nachmieter übergeben und ich zähle meine letzten Tage in Berlin, bevor ich das Landmeedchen Headquarter in Hamburg aufschlage.

Untergekommen bin ich bei meiner Freundin Tini, bei der ich gestern meine Klamotten auspackte, um einige heute direkt wieder ein zu packen.

Tagebuch

Es geht nach Nordirland – kurz und recht spontan. Das ist für mich nichts außergewöhnliches, wohnen doch meine Mutter und Schwester schon seit einigen Jahren in Derry. Seither bin ich viele Male in die wunderschöne Gegend im Norden Irlands gefahren. Ich kenne viele der atemberaubenden Klippen und Strände. Die Burgruinen und viele der scheinbar unendlichen Anzahl an Sehenswürdigkeiten. Und genau deswegen darf ich jetzt wieder mitfliegen.
Vor wenigen Wochen waren Freunde zu Besuch. Fabi spielt in einer Band. Je nachdem, wie gut ihr Landmeedchen kennt, habt ihr schon einmal von Fabi gelesen. Er ist der Drummer der Band Killerpilze, mit denen ich 2006 nach Äthiopien reisen durfte.

Unsere beruflichen Wege haben sich leider vor längerer Zeit getrennt, aber unsere Freundschaft blieb. Die Killerpilze arbeiten hart, aber stets mit soviel Spaß und Freude für den Erfolg, den sie sich verdient haben. Schreiben, produzieren und veröffentlichen ihre Platten im Alleingang. Sogar die Videos drehen sie in Eigenregie.
Dieser Tage soll eines zu ihrem Song Sommerregen entstehen. “… und wir wollen es in Irland drehen”, erzählt Fabi. “Warum gerade dort?”, frage ich überrascht. “Dort gibt es tolle Landschaften, soviel grün und Meer und sicher gute Locations für unsere Idee.”

Alles Schlüsselwörter für einen kleinen, spontanen Landmeedchen Vortrag über Nordirland. Ich erzähle vom Giant’s Causeway, einer meterhoch über dem Abgrund schwingenden Seilbrücke, Bergseen und Wäldern mit versteckten Wasserfällen.

Perfekt, die Aufmerksamkeit ist geweckt. Im Anschluss suche ich noch in paar Bilder zusammen und setze oben drauf, dass alle bei meiner Familie schlafen könnten und meine Schwester Vivien und ich uns als Reiseführer und Proviantmeister bemühen würden. Ein kurzes Bandmeeting reicht und die Sache ist beschlossen….
Jetzt sitze ich im Flieger nach Dublin, wo ich gleich auf Reisegruppe I der Killerpilze treffen werden.

Angekommen nehmen wir zuerst Ziel auf Vast Valley, wo das Kameraequipment angemietet wird. Das Gute: Es handelt ich um ein deutsches Unternehmen, welches sich auf der Insel niedergelassen hat. Volker, der Chef, ist deutsch, wie viele andere aus seinem Team auch. So kommt es bei der Kameraeinweisung nicht zu Verständigungsproblemen. Eine kleine Schwierigkeit gilt es jedoch zu bewältigen: Vast Valleys größter Konkurrent hat gerade dicht gemacht hatte und somit ist ihr Lager absolut leer gefegt. Dennoch schaffen wir es, ausreichend Equipment und eine Topkamera für den Dreh zusammenzusuchen.

Nach zwei Stunden basteln sind wir fertig und nehmen endlich Kurs auf Derry, wo meine Familie bereits auf uns wartet. Das Hallo ist freudig, aber kurz, weil unsere Mägen kurz vor der Selbstverdauung stehen vor Hunger. Auf ins Firtz Roy’s zu einem ordentlichen Dinner. So ordentlich, dass wir kurz danach beinahe am Tisch einschlafen. Ab ins Bett, wir haben viel vor!

Tag 1 – 4.5.2013 – #

Im Zeichen der Organisation

Der erste Tag in Nordirland steht im Zeichen der Organisation. So fährt Vivien mit den Jungs die möglichen Drehlocations ab, während meine Mutter und ich uns (eben mütterlich) um den Einkauf zur Fütterung der Raubtiere kümmern. Der Kofferraum geht eben noch zu. Für mich ist ein Besuch bei Tesco immer noch gleichzusetzen mit dem Besuch eines Kindes auf einem Abenteuerspielplatz. Ich muss bei jedem Spielgerät/Regal stehenbleiben und es genauestens in Augenschein nehmen.

Die Exkursion zu diversen Locations der Scouting Gruppe wird ausgiebig vollzogen und sie kehren erst um 21:00 Heim. Die vielen Eindrücke, durchweg positiv, haben sie hungrig und gleichermaßen müde gemacht. Wenig später sind die Mägen gefüllt und die Pläne für die nächsten Tage geschmiedet.

Tag 2 – 5.5.2013 – #

Der erste Drehtag

Der Wecker klingelt um 05:30 Uhr. Wir wollen keine Sonnenstrahlen verpassen, schon gar nicht, wenn sie kurze Zeit später hinter dicken Regenwolken verschwinden. Wir drehen oben auf einem Berg an einem See, wo sich die Wolken im Gipfel verfangen haben. Das macht die Szenen noch dramatischer.

Wir treffen uns mit den Fischern Michael und Jason. Sie waren so liebenswert und haben die Tage zuvor ein wunderschönes Floß zusammen gebaut und es samt Beiboot zum See transportiert. Typisch irisch, erzählen sie uns als erstes, dass sie wohl noch ein bisschen beschwipst seien, da sie bis 4 Uhr gesoffen haben. Schöne, irische Ehrlichkeit!

Schuhverlust im Regen

Michael gibt Fabian eine kurze Einweisung für die Bedienung des Motorboots. Dann überlassen sie uns uns selbst und dem Regen. Das Wetter lässt wirklich zu wünschen übrig, aber wir lassen uns nicht beirren.

Ich ziehe den Hut vor Fabian, der den ganzen Tag barfuß und mit offener, natürlich nicht wasserdichter Jacke, herumspringen muss.

Wir hingegen bewaffnen uns den Tag über mit Plastiktüten in den ohnehin schon zu nass gewordenen Schuhen und machen uns warmen Gedanken. Wobei ich irgendwann auch nur noch einen Schuh habe, da der andere im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschluckt wurde. Ich versackte plötzlich fast knietief im Moor und während ich meinen Fuß wieder rauszog, blieb mein Schuh stecken. Noch bevor wir in irgendeiner Weise reagieren können, wölbte sich der Erdteppich wieder über der Eintrittsstelle, als sei nicht gewesen. Weg – der Schuh ist einfach weg.
Schwund ist überall. Aber hier in Nordirland ist zum Glück auch meine Schwester, die Ersatzschuhe dabei hat.

Mit Boot und Floß

Nach den ersten Szenen am Ufer, wird es Zeit, das Floß hinüber zur kleinen Insel zu fahren. Ganz einfach, ganz schnell mit dem Boot. Die Fischer warnten uns, dass der See viele Untiefen in Form großer Steine habe und wir mit dem Hilfsmotor aufpassen müssen. Der Motor. Der kommt in der ersten (ja, albern) Stunde gar nicht zum Einsatz, denn Fabi und ich bekommen das Boot partout nicht in den Griff und werden von der Strömung immer wieder auf Felsen gespült von denen wir nicht weg kommen. Irgendwann schaffen wir es, feiern uns und binden das Floß an. Langsam schippern wir gen Insel. Sehr langsam. Der Motor scheint nicht der stärkste zu sein. Fabi muss zusätzlich an die Ruder. Jedoch nur für wenige Minuten, denn dann gibt der Motor komplett auf. Mit den Rudern kommen wir nicht gegen die Strömung an. Das Floß verfängt sich an einem Felsen im Wasser. Wir sind Profis. Nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig als das Floß loszumachen und uns mit dem Boot Richtung Land treiben zu lassen.
Mit gesammelter Manneskraft versuchen wir uns an Land zu ziehen. Nach einer kurzen Phase nahe der Verzweiflung bitten wir die Fischer um Hilfe, die sogleich herbeieilen, das Floß einsammeln und die Jungs meisterhaft über den See schippern. Helden!

Die letzten Szenen drehen die Jungs auf der kleinen Insel, während wir Mädels schon nach Hause fahren, um das Essen vorzubereiten.
Der restliche Szenendreh zieht sich so in die Länge, dass die Neuankömmlinge Max und Jo direkt mit zu Abend essen und sich die aufregenden Geschichten vom Tag am See erzählen lassen können.

Tag 3 – 6.5.2013 – #

One man Down – into the river

Heute wird nahezu ausgeschlafen, der Wecker klingelt erst um 6:00. Der Dreh findet direkt in Derry in einem Wald mit dem wunderschönen Namen Ness Woods statt.


Während die Videocrew die Drehplätze inspiziert, machen Vivien und ich einen Rundgang. Natürlich auf den verbotenen Pfaden. Obwohl dieser Wald so wunderschön naturbelassen wirkt, gibt es hier 2 Rundwege, die an den steilen Abhängen durch Treppen und Brücken befestigt sind.

Einer von ihnen ist der alte Weg. Hier ist alles zugewuchert. Teilweise sind Bäume über die Holzbrücken gefallen und haben sie zerstört. Aber eben deswegen macht das Kraxeln umso mehr Spaß. Es geht bergauf und bergab an einem kleinen Fluss entlang. Schon bald hören wir das tosende Geräusch des Wasserfalls. Wahrlich eine traumhafte Kulisse für den heutigen Drehtag. Nach unserem Rundgang überlassen wir die Jungs ihrem Drehwahn und machen uns auf in die Stadt, um Nachschub für die Raubtierfütterung zu organisieren.

Kurze Zeit später erhalten wir die Nachricht, dass neben Proviant nun auch trockene Klamotten benötigt werden. One man Down – into the river.

Dem Ziel entgegen gerutscht

Als wir ankommen, erwartet Fabi uns stilecht im weißen Bademantel mit Latschen. Wie gut, dass wir alle danach wieder festes Schuhwerk anhaben, denn der Abstieg zum nächsten Drehort stellt sich als sehr waghalsig heraus. Hätte es heute weiterhin geregnet, wäre der Abstieg unmöglich gewesen. Fast senkrecht rutschen wir die Böschung hinunter. Ab und zu können wir an Steinen, die treppenartig am Abhang liegen pausieren oder uns am Farn festhalten. Dennoch rutschen wir dem Ziel eher zufällig als gekonnt entgegen. Das Equipment muss an einem steilen Abhang mithilfe eines Taus hinab gelassen werden. Niemand hätte die Kamera aufschultern können.

Einer geht freiwillig baden

Alle Mühen lohnen sich, denn die Kulisse ist atemberaubend. Unten angekommen, können wir unser Glück kaum fassen. Ein Wasserfall ergießt sich in ein gleichförmiges Becken. Hier unten ist es so feucht, dass alles Holz und jeder Stein mit Moos überzogen ist. Ein fantastisches Farbschauspiel mit der ab in zu durchscheinenden Sonne. Dennoch: Keine sommerliche Temperaturen. Umso mehr Respekt gilt Max, unserem heutigen Protagonisten, der mutig ins Wasser springt, wieder und wieder, um die perfekte Szene spielen.

Zum Schluss noch ein Adrenalinschub

Den Rest des Tages und den Aufstieg erleben wir ohne weitere Hürden. Gut, der zweite Kameramann Andi rutscht auch ins Wasser und hält sich reflexartig an der Kamera fest. Wir ignorieren das, denn es ist zum Glück nichts passiert, außer dass alle nun wieder genug Adrenalin hatten, die Szenen schnell in den Kasten zu bekommen.
Was für ein Abenteuer.

Endlich Sonne

5:30. Wecker. Aber irgendwas ist anders. Was ist das? Es ist hell. Es wärmt sogar ein bisschen. Es ist die Sonne. Jawoll. Das passt perfekt zu unserem heutigen Drehtag am Giant’s Causeway.


Unglaublich, wie sich das Gebiet verändert hat seit meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren. Ich bewundere die Iren für ihre Landschaft. Dass sie einfach aus der Tür treten und an den schönsten Küsten in Ruhe entlang spazieren können. Zudem konnte ich nicht glauben, dass man nirgends Eintritt zahlen muss. Gut, das ist nun anders. Ich muss zugeben: Auch zurecht. Es wurden Straßen renoviert. Beschilderung und Touristinformationen verbessert und eben Eintrittsgebühren eingeführt. Für die Wirtschaft des Landes, bei der Touristik ein wichtiges Standbein ist, ist das absolut richtig.


Aber seien wir mal ehrlich: Es ist schwer für etwas plötzlich 8,50 GBP Admission zahlen zu müssen, was bisher kostenfrei war. Wie machen das die Einheimischen? Die zahlen doch sicher nicht jedes Mal, wenn sie mit ihrem Hund Gassi gehen. Nein, sie machen es wie wir (und ihr es also auch tun könnt): Wir kommen früh und parken beim benachbarten Hotel. Ein kleiner Weg führt links an dem Hotel vorbei, eine Treppe hinunter et voilà, man hat das Visitor Center umgangen.

Eine Art Doku

Wir sind zudem so früh, dass das Visitor Centre ohnehin noch nicht geöffnet hat. Wir tragen Proviant (Es wird sicher ein langer Tag.) und Equipment nach unten. Wenige Minuten später werden Fabian und David von einem Mitarbeiter des National Trust, Frank (sicher auch noch angetüdelt vom Vorabend) angehalten und nach der (natürlich nicht vorhandenen Drehgenehmigung) gefragt. Oha, nun gibt es Ärger – oder ein Loch im Finanzhaushalt, denn eine halbe Stunde filmen kostet 150 GBP. Fabi erklärt, dass wir Studenten aus Deutschland seien, die eine Doku über Nordirland drehen, bei der der Giant’s Causeway nicht fehlen darf. Frank bittet uns ins Visitor Centre. Vivien und Fabi machen sich auf den Weg zurück, aber Frank kommt ihnen kurze Zeit später bereits winkend entgegen. Er hat alles in Windeseile mit seinen Kollegen geklärt und wir können umsonst drehen. Solange wir wollen. Jackpot!

Später müssen wir breit Grinsen, denn bei jeder vorbeiziehenden Touristengruppe erzählt der Tourguide wieder stolz, dass wir Studenten aus Deutschland seien, die eine wichtige Doku drehen. Auweia, ein bisschen schlechtes Gewissen ist schon dabei. Aber hey… eine Art Doku wird es ja wirklich.

Durch die frühe Uhrzeit können zu Beginn die Szenen mit Weitwinkel gedreht werden, weil wir noch fast alleine an der Küste sind. Später folgen waghalsige Sprünge von Felsen zu Felsen und nahezu im Dunkeln tappen zwischen kopfhochhohem Schilf. Das alles dafür bei strahlendem Sonnenschein. Traumhafte Bilder!
Noch vor den letzten Sonnenstrahlen des Tages ist alles im Kasten – die Bilder für das Video zu Sommerregen stehen. Bin ich gespannt auf das fertige Video!

Glücklich, dass alles trotz kleiner Hürden so fantastisch geklappt hat, lassen wir den Abend zu Hause ausklingen und lachen noch ein bisschen über Bootspatzer und schwärmen von den einzelnen Drehlocations.

Wenn ich das Video nun zu Sommerregen ansehe, muss ich immer noch grinsen, wenn ich überlege, wie Fabi in meinem Berliner Wohnzimmer saß und sagte “es soll einfach eine tolle Location sein”.
Tja – scheinbar hat alles geklappt!

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