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Doris
Doris ist freie Journalistin, Reisende und vor all …
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Schönwetter-Segler bitte wenden! Segeln in Neuseeland (Teil 2)
„Was war denn euer schlimmstes Sturmerlebnis?“, spätestens nach zwei Gläsern Cider kommt man an dieser Frage unter Neuseeland-Cruisern nicht vorbei. Meist dauert es aber nicht so lange. Wir hatten uns gerade an den Tisch der „Queen of Abel Tasman“ gesetzt, schon waren unsere neuen Liveaboard-Bekannten im Yachthafen von Motueka im Abel Tasman Nationalpark bei diesem Lieblingsthema angelangt, zu dem jeder etwas zu sagen hat. Auch mein Partner T.A. und ich hatten Turbulentes erlebt, seitdem wir von der Bay of Plenty an der Ostküste der Nordinsel auf die Südinsel gesegelt waren.
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Morgens um 8.00 Uhr
„Unser Anker hält nicht mehr!”, ein paar Tage zuvor hatte mich T.A.s Stimme unsanft aus dem Morgendusel gerissen. Bereits in der Nacht hatte uns Wirbelsturm „Fehi“ mit Böen von 100 Stundenkilometer vom Schlafen abgehalten. Zwar waren wir in der Anchorage Bay im Abel Tasman Nationalpark vom Wellengang geschützt; der Sturm ließ sich hingegen von den Landspitzen im Norden wie Süden nicht abschrecken. Wir mussten weg. Das meinte auch der Skipper des benachbarten Hostelschiffs „Aquapackers“, auf dem es heute verdächtig still zuging. Er war ins Beiboot gesprungen und deutete ein paar Meter entfernt auf eine Anlegeboje. Wir sollten diese nehmen. Kaum gesagt, stand T.A. bereits an der Ankerwinde. Ich hatte mir meine Segeljacke übergeworfen, den Motor gestartet und das Steuer übernommen. „Lenke in den Wind“, lautete das Kommando. Bei Sturmböen, strömendem Regen und Wellen, die unsere 8-Meter-Yacht „Kahu“ durchrüttelten, leichter gesagt als getan. An die Reling geklammert, versuchte ich zur Boje zu steuern, wo der Skipper mit der Leine in der Hand wartete. Triefend vor Nässe bemühte sich T.A., eben diese zu übernehmen. Beim zweiten Versuch klappte es. „Die Boje hat schon 13-Meter-Boote gehalten“, munterte uns der Skipper mit Blick auf unsere kleine Kahu zum Abschied auf.
Ruhe nach dem Sturm
24 Stunden später war der Sturm vorbei. Touristen wurden bereits wieder zuhauf von Fähren und Wassertaxis zum Campingplatz in die Bucht gekarrt; stapften auf dem 51 km langen Abel Tasman Coast Track durch den Matsch und paddelten in Kayaks durchs aufgewühlte Meer. Von Normalbetrieb konnte trotzdem keine Rede sein. „Die Aufräumarbeiten werden dauern“, bestätigte der Aquapack-Skipper, nachdem er seine Kontrollrunde gedreht hatte: Der Campingplatz in der benachbarten Bark Bay war überflutet. Von den Sanddünen auf den weiß-goldenen Sandstränden der Region war nur ein Strich in der Landschaft geblieben; und wo sonst die Kanuka-Büsche weiß-rosa blühten, lag angeschwemmtes Treibholz. Noch in der Folgewoche kamen uns zwischen Adele Island und der Awaroa Bucht Geröll und Baumstämme entgegen, die ins Meer geschleudert worden waren.
Ein seltsamer Sommer...
Wirbelstürme sind im neuseeländischen Sommer nichts Außergewöhnliches. 9 – 12 Tiefs entwickeln sich üblicherweise zwischen November und April im Südwest-Pazifischen Becken. Durchschnittlich ein oder zwei erreichen in abgeschwächter Form Neuseeland. Dieses Jahr war jedoch alles außer durchschnittlich. „Es ist ein seltsamer Sommer“, darüber sind sich angesichts schwüler Hitzerekorde alle einig. Das zeigte nicht nur die gesteigerten Häufigkeit von Stürmen im Allgemeinen und ehemals tropischen Wirbelstürmen im Besonderen. Ungewöhnlich ist außerdem, dass die Wetterfronten vermehrt auf der Süd- statt der Nordinsel einschlagen. Ob es sich um ein einzigartiges Phänomen oder langfristige Auswirkungen der globalen Erwärmung handelt, wird laut Forschern die Zeit weisen.
Wetterkapriolen
Apropos Zeit: „Schönwettersegler sind abhängig von gutem Wetter. Allwetter-Segler arbeiten mit dem, was die Natur bereit hält“, fiel mir keine vier Wochen später die Aussage vom Stammtisch in Motueka ein, als erneut eine meterhohe Woge über Kahus Fiberglas-Rumpf zusammenbrach. 50 Knoten und drei Meter hohe Wellen hatten uns nahe der Aupōuri Halbinsel vor Cape Reinga zum Beidrehen gezwungen. Dass wir wieder mit solch turbulenten Bedingungen „arbeiten“ mussten, war nicht geplant. Im Gegenteil. Wir hatten für diese mit rund 500 Seemeilen längste durchgehende Etappe ein günstiges Wetterfenster abgewartet. Dachten wir zumindest. Tage zuvor mussten wir unseren Plan, den Heimweg vom Abel Tasman Nationalpark entlang der Westküste nach Auckland in Angriff zu nehmen, verschieben: Kaum drei Wochen nach Fehi sollte mit „Gita“ der nächste Wirbelsturm Neuseeland treffen! Unsere Entscheidung, in Mana bei Wellington abzuwarten, entpuppte sich als richtig. Im geschützten Yachthafen konnten uns die 120 Stundenkilometer des Ex-Zykons nichts anhaben.
Ankommen im Heimathafen
„Ich bin immer nervös, wenn wir einen Hafen verlassen“, unkte T.A., als wir uns drei Tage später bei Nordwinden auf den Weg machten. Segel setzen, steuern, essen, schlafen – auf dieses wenig spektakuläre Programm hatten wir uns die nächsten fünf Tage und Nächte eingestellt. Erfahrene Neuseeland-Cruiser geben der Westküste zwar wegen des reineren Winds den Vorzug gegenüber der unvorhersehbaren Ostküste, an Attraktionen zu bieten hat die Tasmansee hingegen wenig: Tagelang sieht man nichts außer Meer. „Selbst für Fischer ist das Gebiet zu entlegen“, erklärte mein Partner, der Meeresbiologe, als wir 60 Seemeilen westlich der Küste auf offener See segelten, „hier ist die Natur noch unberührt.“ Wie zur Bestätigung erspähten wir am selben Tag Buckelwale. Sie sollten eine Ausnahme bleiben. Die seltenen Maui-Delphine, die nur zwischen Taranaki und Manukau gesichtet werden, ließen sich genauso wenig blicken wie Haie, und das, obwohl der Norden von Plymouth bis Raglan als „Hai-reichste Region Neuseelands gilt“. Statt Meerestieren sorgten hingegen die stürmischen Bedingungen um Cape Reinga für Aufregung: Drei Tage lang zwangen uns orkanartige Böen, die Kontrolle abzugeben, uns vom Sturm treiben zu lassen und bangend zu hoffen, dass unsere Raven26 den hereinbrechenden Wellen trotzen könnte. Dass auch der englische Seefahrer James Cook an derselben Stelle 1722 seine Schwierigkeiten hatte, erfuhren wir erst, als wir nach acht Tagen endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen hatten und bei einem Spaziergang durchs Städtchen Russel in der Bay of Islands die Seekarte des Entdeckers fanden. Ob es am Wissen um die geteilte Qual lag oder daran, dass wir das Segelgebiet bereits kannten: Die 200 Seemeilen lange Schluss-Etappe bis Auckland fühlte sich wie eine lang vermisste Freundin an. Eine, in deren Armen wir uns von so manch schlimmen Sturmerlebnis erholen durften.