Oh, wie schön ist Panama! Der Traum vom Panama-Kanal

von Bernadette Olderdissen

Oh, wie schön ist Panama! Der Traum vom Panama-Kanal

Panama ist noch nicht das typische Urlaubsziel für Europäer. Viele haben vom Panamakanal schon gehört, und auch Janoschs Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“ ist manchen ein Begriff. Die Geschichte vom Kleinen Tiger und dem Kleinen Bären, die nach Panama aufbrechen. Was ich auch tue. Unter anderem, um den berühmten Panamakanal einmal mit eigenen Augen zu sehen.

Reisebericht

Die Wasserstraße vom Pazifik zum Atlantik

Wer den Panamakanal besuchen möchte, startet von Panama City aus. Einer Stadt, die mit unzähligen Wolkenkratzern aus Beton und Glas und mit in Anzügen umherwuselnden Menschen an eine Miniversion von New York oder Tokyo erinnert. Nur, dass es nicht so stark glitzert oder so bunt leuchtet wie in den Megacitys der Welt. Dabei ist die Hauptstadt Panamas etwas ganz Besonderes, nicht nur, weil sich dort so viele Banken befinden. Angeblich war sie nämlich die erste, 1519 erbaute Siedlung entlang des Pazifiks.

Doch wer will viel Zeit in der dunstigen City verbringen, wenn nur gut zwölf Kilometer entfernt der Panamakanal liegt? Oder zumindest die stadtnahe und beliebte Miraflores-Schleuse, eines der touristischen Highlights von Panama. Wer sie besucht, darf nicht auf Ruhe und Abgeschiedenheit hoffen, doch es lohnt trotzdem. Auf der Aussichtsplattform der Schleuse hole ich mir sofort einen blauen Zeh und meine Rippen machen Bekanntschaft mit Ellenbogen aus aller Welt. Aus gutem Grund: Ein Containerschiff wartet in der Schleuse – Zheng Bang aus Hong Kong, und direkt dahinter steht Energy Protector Douglas in den Startlöchern. Das passiert nur ein paar Mal pro Tag, also werden sämtliche Kameralinsen ausgefahren und Handys in die Höhe gehalten.

Und was ist so besonders daran, ein fahrendes Schiff zu sehen? Das kann man doch auf Elbe, Rhein und Co. auch. Schon, aber der Panamakanal ist eben eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt, die seit 1914 auf fast 82 Kilometern den Pazifik-Hafen Balboa mit Colón am Atlantik verbindet. Erst oben an der Schleuse beginne ich die Bedeutung einer Verbindung von zwei Ozeanen zu begreifen. Vom Atlantik kommende Schiffe werden in Colón durch die Gatún-Schleusen auf das Niveau des Gatúnsees 26 Meter über dem Meeressspiegel gehoben. Dann geht es weiter durch die zweiten von insgesamt drei Schleusen, um an den Miraflores-Schleusen, wo ich stehe, wieder auf Höhe des Pazifiks hinabgelassen zu werden. Das dauert insgesamt an die 15 Stunden. Nicht viel, wenn die Alternative eine etwa 30-tägige Fahrt über das Tausende Kilometer entfernte Kap Hoorn an der Spitze Südamerikas wäre. Für einen Monat gesparte Fahrtzeit zahlen pro Tag etwa 40 Container- und Ozeanriesen 250.000 US-Dollar, maximal sogar 400.000 Dollar. Je größer das Schiff ist und je schneller es gehen soll, desto teurer wird es.

Das Megaprojekt

Erst, als ich einen winzigen Teil des Panamakanals vor mir sehe, mache ich mir erstmals Gedanken über dessen Bau. Und kann mir selbst als absoluter Banause, wenn es um Ingenieurthemen geht, vorstellen, um was für ein wahnsinniges und kostspieliges Projekt es sich gehandelt haben muss. „Unter der Leitung von Ferdinand de Lesseps begannen erstmals die Franzosen 1881 mit dem Kanalbau“, erzählt ein Guide. „Aber sie unterschätzten die geologischen Verhältnisse und die Tropenkrankheiten.“ In acht Jahren seien rund 22.000 Arbeiter an Malaria oder Gelbfieber gestorben, die Kanalgesellschaft ging bankrott. 1904 waren es die USA unter Präsident Theodore Roosevelt, die das Projekt wieder aufgriffen. Damals gehörte Panama noch zu Kolumbien, deshalb wurde eine Revolution angezettelt, um die Kolumbianer rauszuwerfen und eine Washington-freundliche Regierung aufzustellen. Ende 1903 besetzten US-Truppen die Kanalzone und der neue Staat Panama sicherte den USA vertraglich die Kontrolle über den Kanal zu.

Dieser wurde mit 375 Millionen Dollar zum teuersten Bauprojekt der USA. Außerdem ließen weitere knapp 6.000 Menschen ihr Leben dafür. „Leute aus aller Welt kamen nach Panama, um am Kanal zu arbeiten“, berichtet der Guide. „Darunter etwa 35.000 Männer aus der Karibik und 6.000 Amerikaner. In der Kanalzone gab es eine strenge Rassentrennung.“ Die Weißen seien in Gold bezahlt worden und hätten eine Gesundheitsversorgung sowie Heimaturlaub bekommen, Schwarze nur Silber. Wer gesund blieb, konnte sich später im Heimatland ein kleines Grundstück leisten.

„Die USA behielten die Kontrolle über die Kanalzone bis 1999. Dann übernahm Panama die Wasserstraße.“ Ein Schiffhorn tutet. Ich quetsche mich an die Brüstung, sehe hinab auf die 1913 fertiggestellten, 1,7 Kilometer langen Miraflores Schleusen, die einen Höhenunterschied von 13 bis 19 Metern ausgleichen müssen. Dabei dauert ein kompletter Schleusvorgang etwa 30 Minuten. Fasziniert beobachte ich, wie die Schiffe von mehreren Treideloks durch die Schleuse gezogen und dadurch stabilisiert werden. Es scheint so einfach. Dabei dauerte die Fertigstellung des Meisterwerks zehn Jahre.

Breiter, tiefer – die Kanalerweiterung

Es ist natürlich langweilig, wenn etwas zu lange keine Veränderung erfährt. Erst recht, wenn ein wenig Herumbasteln eine Menge mehr Einnahmen garantiert. Also musste auch am Panamakanal etwas passieren. Konnten früher nur Schiffe mit bis zu 4.400 Containern den Kanal befahren, gehen seit dem 26. Juni 2016 sogar 14.000 Container. Jetzt werden nicht nur Bananen und Ananas aus Südamerika, Öl aus Brasilien und Autos aus Deutschland über den Kanal verschifft, sondern auch Flüssiggas. Der Panamakanal ist nun für 96 Prozent aller Schiffe befahrbar.

Eigentlich sollte die Erweiterung, mit der 2007 begonnen wurde, zum 100. Kanal-Geburtstag 2014 abgeschlossen sein. Aber wie schon Murphy sagte: Immer, wenn etwas schiefgehen kann, tut es das auch. Die Zementarbeiten begannen spät, es gab Probleme mit der Verankerung eines Dammes. Die Zahlen rund um die Erweiterung machen mich schwindelig: 40.000 Arbeiter räumten 150 Millionen Kubikmeter Erde und Geröll ab und verbauten zwölf Millionen Tonnen Zement sowie 192.000 Tonnen Stahl. Für neue Schleusen, die über 420 Meter lang, 55 Meter breit und 18,3 Meter tief sind, mit bis zu 33 Meter hohen und zehn Meter dicken Toren. Für 5,25 Milliarden US-Dollar. Aber die Leute wollten das, wie ein Volksentscheid ergab – immerhin ist der Kanal das wirtschaftliche Herz Panamas.

Auf Schienen den Kanal entlang

Am besten lässt sich die Erweiterung auf der karibischen Seite, an der Gatún-Schleuse, erkennen. Doch dorthin muss man erstmal kommen, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln kompliziert und per Mietwagen abenteuerlich ist. Zum Glück gibt es den Panama Canal Railway – die älteste transkontinentale Eisenbahnstrecke der Welt. Sie verläuft auf nur 76,6 Kilometern parallel zum Panamakanal. Neben Fracht rollen auf der Strecke heute vor allem Touristen. Die werden von Panoramawagen mit hohen Fenstern, bemalten Wänden, Teppichböden und grünen Kunstledersofas erwartet sowie von einer Bedienung, die in Schwarz-Weiß Snacks und Kaffee serviert. Die Fahrt dauert bis kurz vor Colón 90 Minuten.

Zwei Waggons werden jeweils von einer kleinen Plattform verbunden, wo man draußen stehen kann. Es ist dort, dass ich mich dem Panamakanal richtig nahe fühle, obwohl er sich immer wieder hinter dichtem Dschungel versteckt. Einige Riesenkähne schippern in der Morgensonne gemütlich über das glatte Wasser, bis zu den Schleusen von Gatún. Dass sie breiter sind, lässt sich mit bloßem Auge erkennen. Ganz langsam öffnet sich eins der riesigen Tore für einen Frachter, während ein Guide berichtet, wie dieser heißt, was er geladen hat und wohin die Reise geht. In der Ferne fahren kleinere Schiffe in den alten Kanal ein. Alles wäre perfekt – wenn sich nicht Konkurrenz anbahnen würde. Nicaragua überlegt, im Gegensatz zu den schlappen 82 Kilometern des Panamakanals eine 278 Kilometer lange Wasserstraße zwischen Pazifik und Atlantik zu bauen. Dabei haben jedoch nicht die USA die Spendierhosen an, sondern China – Nutzungsrechte für ein ganzes Jahrhundert inklusive. Doch noch ist nicht ganz klar, ob sich die Idee nicht doch verflüssigt.

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