Kleines Dorf entlang der Zugstrecke.

Mit dem Zug durch das Hochland von Sri Lanka

Mit dem Zug durch das Hochland von Sri Lanka

„Ein absolutes Muss! Einmalig schön!“ und immer so fort loben Reiseseiten im Internet, Magazine und Blogs die Zugfahrt durch das Hochland von Sri Lanka. Eine sehr beliebte Zugstrecke liegt zwischen den Städten Kandy und Ella. Wir gehen in Kandy am frühen Morgen an Board des schnaubenden Ungetüms.

Reisebericht

Und Jim Knopf sagt: Gib’ Schub Lukas

Beim Anfahren scheint Jim Lukas immer ordentlich eins auf den Deckel zu geben, denn jedes Mal wieder ruckelt die Bahn als hätte sie sich plötzlich selbst erschrocken, dass es weitergeht. Es ist, wie Beifahrer in einem Auto von jemandem zu sein, der gerade von Automatikgetriebe auf Standard umsteigt.
Einmal in Gang gesetzt, schlängelt sich unser Zug schließlich die immergrünen Berghänge hinauf und rollt gemächlich wieder runter.

Die Fenster in der 2. Klasse, in der wir nach einer Art Olympia-Sprint mit Glück einen Sitzplatz ergattert haben, stehen weit offen. Durch sie und die stets offenen Waggontüren (ja, die äußeren) weht ein seichter Fahrtwind. Wir tuckern an Reisfeldern, saftigen Dschungelhängen und penibel geordneten Teeplantagen vorbei. An den Hängen stehen vereinzelt Häuschen, die sich in den Tälern zu Dörfern gruppieren. An den Haltestellen springen fliegende Händler auf den Zug und bieten Obst und Frittiertes feil.

Das Lied der Züge

Das Klackern der Schienen trommelt einen gleichmäßigen Takt. Begleitet wird er zeitweilig von einem ohrenbetäubenden rauschenden Refrain, bei dem ein Dezibel-Messgerät sicher in den dunkelroten Gefahrenbereich ausschlagen würde. Nebenher noch der Sprechgesang der Händler, die immerzu lauthals den Namen ihrer Ware grölen, wie Mr. Scatman es nicht besser könnte. Ab und an ertönt das Hupen der Lok an Bahnübergängen oder beim Verscheuchen der auf Gleisen weidenden Kühen hinzu.

Meine Sitznachbarn

In unserem Abteil werden hauptsächlich Sprachen gesprochen, die ich nicht verstehe. Ich teile den Doppelsitz offenbar mit einer Familie. Die Tochter im Teenageralter inklusive Kindergartenkind saßen eben noch neben mir, letztere halb auf mir. Dann kam ein neues Teenagermädchen. Zuvor unterhielten sich beide über mich hinweg – ich besetze den Gangplatz – wobei die Brüste der einen stets in mein Gesicht stupsten. Nun sitzt der Vater neben mir. Er hat sich zurück gelehnt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und liest jeden Buchstaben, den ich hier gerade in mein Telefon tippe mit. Englisch kann er nicht. Ich hoffe, auch kein Deutsch.

Fast wie Zuhause in der Tram

Die Waggons der 2. Klasse haben gehobene S-Bahn Qualität: PVC Boden und blaue Kunstledersitze, die sogar Klapptischchen am Vordersitz haben. Der generelle Zustand des Waggons ist ungefähr wie der der Straßenbahn M10 in Berlin an einem Samstagmorgen gegen 3 Uhr: Klebrige Flüssigkeiten sind ausgelaufen und wurden mit Hilfe von Dreck wieder fest getreten.
Weil meist nicht genug Sitzplätze vorhanden sind (auch wenn man die halbe Familie auf zwei Sitze verteilt), baumeln blaue Haltebügel, an silbernen Eisenstangen befestigt, von der Decke herunter. Eine wahre Herausforderung bei dem starken Wellengang der Sri Lankanischen Schienen. Man sollte doch lieber den siffigen Boden vorziehen, er scheint gemütlicher.
Tatsächlich findet auch an den Haltestellen im scheinbaren Nirgendwo ein reger Fahrgast-Austausch statt, so dass man immer wieder die neue Chance auf einen Sitzplatz hat, sollte man nicht gleich beim ersten Spießrutenlauf als Sieger hervorgegangen sein. Neben den Einheimischen, die aufgeregt von Familienmitgliedern und Freunden erwartet oder mit Tränen in den Augen verabschiedet werden, zieren vereinzelte Wanderer in Funktionskleidung die Bahnsteige der Bergdörfer.

Dieses Gefühl von Freiheit

Unser nächster Halt ist in Nurawa Eliya. Von hier aus erkunden viele Reisende das Hochland. Ich bin auch schon ganz hibbelig, obwohl wir gar nicht aussteigen. Aber ich habe eben erfahren, dass das Mädel des deutschen Pärchens neben uns mir ihren Fensterplatz überlassen würde (ebenso Marcel, mein Reisepartner – Danke!).
Zum Abschied schubbern meine Sitznachbarin und ich noch ein bisschen Po an Hüfte, bevor wir uns mit einem zurückhaltenden Nicken und Lächeln Lebewohl sagen.
Während ich nun fortan halb aus dem Fenster hängend, mit staunenden Augen und offenem Mund die vorbeiziehenden Gewürzplantagen und Wasserfälle beobachte, entdeckt Marcel, dass die Zugtüren nicht mehr mit den Menschen ohne Sitzplatz versperrt sind und beginnt, sich waghalsig weit aus den Türen zu lehnen.

Momente an offenen Zugtüren

Es dauert nicht mehr lange, bis wir Ella, die inoffizielle Endhaltestelle, erreichen. Hier steigen fast alle Passagiere aus, zumindest alle Touristen. Verunsichert wechseln Marcel und ich Blicke und entscheiden schließlich, dass wir noch nicht genug Freiheit geatmet haben.

Als sich der Zug wieder in Bewegung setzt, ergattern wir jeder eine eigene offene Zugtür. Sofern keine Strommasten, Tunnel oder grünen Regenwälder zentimeternah an uns vorbei rauschen, hängen wir vor Vergnügen juchzend aus den Türen, grinsen über das ganze Gesicht und mir wird bewusst: Dies ist wieder einer dieser Momente, die mir niemand nehmen kann und der sich tief in mein Gedächtnis gräbt, um mir später immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, wenn ich mich an ihn erinnere.
Ich schäkere noch ein bisschen mit dem Säugling, der vergnügt auf dem Schoß seiner Mutter quiekt, winke einige Male den Menschen an den Gleisen zu und bin ein bisschen traurig, dass die Zugfahrt in Badulla nun ihr Ende findet.

Tipps für deine Zugfahrt

Das Ticket

Wenn du 1. Klasse reisen möchtest, solltest du frühzeitig Tickets reservieren, da Plätze hier teilweise Tage im Voraus ausgebucht sind. Wenn ein Bahnhof in deiner Nähe ist, kannst du das Ticket direkt dort kaufen. Oder du reserviert telefonisch bei Sri Lanka Railways.
Die Fahrt von Kandy nach Ella kostet in der 1. Klasse ungefährt 6 EUR.
Vorteile: Eine Platzreservierung ist möglich und es gibt eine Klimaanlage (wer’s braucht…).
Nachteile: Die Fenster sind geschlossen und eventuell verdreckt. Außerdem finde ich persönlich, dass ein bisschen Authentizität flöten geht.

Die 2. Klasse ist vollkommen in Ordnung. Man muss sich nur auf einen Kampf um die Sitzplätze gefasst machen. Hier gibt es keine Klimaanlage. Dafür sind die Fenster offen und man kann den Fahrtwind live genießen. Außerdem kostet hier die Fahrt unter 3 EUR.

Tipp

Der Einstieg am Bahnhof
Auch wenn du keinen reservierten Sitzplatz hast, kannst du dich strategisch klug am Bahnhof platzieren. Die Waggons der 3. Klasse befinden sich ganz hinten. Vorne sind die der 1. Klasse. Sprintest du also um einen Sitzplatz in der 2. Klasse, suche dir einen Warteplatz in der Mitte des Bahnsteiges.

WICHTIG

Das Ticket solltest du während der Fahrt nicht verbummeln, denn beim Verlassen des Zielbahnhofs, muss es nochmal vorgezeigt werden.

Der perfekte Ausblick

Geht deine Fahrt südwarts von Kandy nach Ella, solltest du versuchen, einen Platz auf der rechten Seite des Zuges zu ergattern.

Eine Höflichkeitsformel

Etwas, das man in Sri Lanka immer wieder beobachtet und dieses Schild zudem propagiert: Mutti hat Vorrang. Wir haben einige Male dabei zugesehen, wie die Menschen von ihren Plätzen aufspringen, sobald sich eine Mutter mit Kindern nähert, um ihnen den eigenen Platz anzubieten. Da sollten wir alle mitmachen.

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