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Anne-Kathrin
Eigentlich gefällt es mir in Berlin super, aber w …
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Guayaquil in Ecuador: Die Stadt der Leguane
Leguane, überall! Auf den Bäumen, auf den Wiesen, auf den Wegen tummeln sich die zutraulichen Echsen. Und selbst Galapagos-Schildkröten leben mitten in der Stadt. Dennoch ist Guayaquil, zweitgrößte Stadt Ecuadors, in kaum einem Reiseführer erwähnt. Zu Unrecht, findet unsere Autorin Anne-Kathrin.
Entgegen aller Lonely-Planet-Propheten
„Guayaquil? Was willst du da, da kann man doch eh nichts machen.“ Diese Sätze hörte ich während meiner Ecuador-Reise ständig. Wohl gemerkt nicht von Besuchern der zweitbevölkerungsreichsten Stadt des Landes, sondern von diesen Lonely-Planet-Propheten, die jedes Wort des leider viel zu oft gekauften Reiseführers für bare Münze nehmen, anstatt sich selbst ein Bild zu machen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass so eine große Stadt wie Guayaquil, die noch dazu einen Hafen hat, nichts zu bieten hat. Außerdem habe ich von dort einen Flug gebucht, mir bleibt also ohnehin nichts anderes übrig, als Guayaquil einen Besuch abzustatten.
Beautyshops und Ladentheken hinter Eisengitter
Aus dem idyllischen Örtchen Santa Elena an der unteren Pazifikküste Ecuadors mache ich mich gemächlich auf – die Fahrt nach Guayaquil dauert von hier je nach Verkehrslage eh nur zwei bis drei Stunden. Ich komme an einem trubeligen Busbahnhof an, an dem die Taxivermittler es äußerst eilig haben, mich in einen ihrer Wagen zu verfrachten, für Fragen bleibt keine Chance. Puh. Ich habe doch gerad eine Woche im Chillmodus an der Küste verbracht. Bei meinem Hostel im Norden der Stadt sind wir schnell angelangt, doch schon aus dem Blick des Taxifensters fällt mir die Trostlosigkeit der Umgebung auf: Es gibt hier nur viel befahrene Straßen, jede Menge Beautyshops und kleine Tiendas, die mit Eisenstäben von außen gegen Einbrüche gesichert sind und bei denen man vorn am Fenster sagen muss, was man haben möchte.
Eine Fußbadewanne als Pool
Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass der Pool des Hostels eher eine Fußbadewanne denn ein Pool ist. Ich gönne mir also erst mal eine Vier-Dollar-Pediküre und erkunde anschließend die Umgebung, die tatsächlich nichts zu bieten hat außer einen schönen großen Supermarkt – eine Einrichtung, die man als Europäer in Südamerika schnell mal schmerzlich vermisst. Laut Google Maps bin ich ohnehin fast zehn Kilometer vom Zentrum entfernt. Nach einem ersten langweiligen Tag und einer noch schlimmeren Nacht – die zahlreichen Nymphensittiche haben ihren Käfig direkt an meinem Fenster und wecken mich morgens um fünf mit ihrer unangebracht guten Laune – reicht es mir und ich checke aus. Ein Taxi bringt mich zum nächsten Hostel, welches zwar auch nicht in der City liegt, aber immerhin schon weitaus näher am Geschehen. Im Taxi diesmal: Staunen. Mein Hotel liegt inmitten pompöser Anwesen Städtevillen, die Gegend erinnert mich an Berliner Villenviertel. Schon der weite Empfangsbereich verspricht viel mehr als die vorige Unterkunft – und siehe da, die Größe des Swimmingpools kann sogar mit der in meinem heimischen Fitnessstudio mithalten. Nach einem ausgiebigen Pool-Besuch melde ich mich gleich am nächsten Tag für eine „Free Walking Tour“ durch Guayaquil an.
Ein Park voller Galapagos-Leguane
Als ich am nächsten Morgen an der Rezeption erscheine, erwartet mich bereits Nayib, ein junger Student, der sein ganzes Leben in Guayaquil verbracht hat und seine Free Walking Touren gegen ein kleines Trinkgeld auf Englisch anbietet. Ich merke auf dem Weg zur City (wir fahren mit gefühlt drei verschiedenen Bussen, die uns aber immerhin insgesamt nicht mal einen Dollar kosten) schnell, dass seine Englischkenntnisse schlechter sind als meine Spanischkenntnisse, was schon etwas heißen soll. Aber immerhin kriege ich mit, dass die Staatliche Uni Guayaquils, an der wir vorbeifahren und die hinter hohen Mauern, deren weiße Farbe an zahlreichen Stellen bereits großflächig abblättert und die somit ein trostloses Bild abgibt, eine der ältesten des Landes ist. Ich finde es bald zu anstrengend, auf Englisch Konversation zu führen, zumal wir wirklich nicht kommunizieren können bezihungsweise aneinander vorbeireden. Beleidigt schweige ich. Als wir in der Innenstadt ankommen, führt Nayib mich direkt zu einer bronzefarbenen Mann-Statue am Eingang eines Parkes. Dies ist ein Denkmal für Guayaquils großen Dichter Medardo Angel Silva, der vor allem durch seine Liebesgedichte bekannt wurde. Der Literat wurde eines Tages auf offener Straße unweit des Parkes erschossen. Nun erinnert die Bronzestatue des lesenden Mannes an den Helden der Stadt.
Danke an Dmitry Remizov für das Video
Streicheleinheiten mit Iguanas
Dann geht es weiter in den Parque Seminario, oder im Volksmund Parque de las Iguanas genannt, in dem mir sofort eine riesige Echse entgegen kommt. Ich schreie und erschrecke mich – und sehe dann, dass es hier von diesen Leguanen nahezu wimmelt. Nayib beruhigt mich: Die Galapagos-Leguane sind zahm und wohnen hier. Nach der anfänglichen Schrecksekunde ist alle schlechte Laune sofort verflogen, ich bin fasziniert von den friedlichen Echsen, mit ihrem gezackten Rückenkamm die sich sogar streicheln lassen, wie Nayib mir erklärt: Man hält die Hand vor das Tier, sollte es nicken, heißt es nein, bitte fass mich nicht an, sollte es keine Regung zeigen, hat es kein Problem damit, dass man seinen farbenfrohen Schuppenpanzer berührt. Mein Leguan, ein besonders hübsches und großes Tier, hat kein Problem damit, dass ich ihn „streicheln“ will. Es ist wirklich einzigartig, den Körper dieses Tieres zu berühren und ich bin sofort bester Stimmung ob dieser unerwarteten Erfahrung.
Der Grund, warum es hier mitten in der Stadt vor grünen Leguanen wimmelt, ist übrigens recht banal. In den 1960er Jahren hatte eine Gruppe Mormonen versucht, einige der geschützten Tiere aus dem Land zu bringen. Als sie bei der Ausreise aufflogen, wurden die Tiere auf Bestreben der Guayaquileños in eben jenem Park freigelassen – und dort haben sie sich bis heute nicht fortbewegt, aber zahlreich fortgepflanzt (mehr über die Geschichte der Leguane in Guayaquil gibt's hier, allerdings auf Spanisch).
Der Nachteil einer Stadt, die auf Holz gebaut war
Nach etlichen Iguana-Selfies also geht es weiter. Jetzt ist es wirklich so, dass man in Guayaquil keine alten, pompösen Gebäude aus dem 18. oder 19. Jahrhundert bewundern kann. Dies liegt daran, dass die Hafenstadt einst auf Holz gebaut wurde und so diverser Feuer zum Opfer fiel: Insbesondere im Jahr 1764 gab es zwei Großfeuer, die weite Teile der Stadt zerstörten. 1899 wurde die Stadt das letzte Mal von einem verheerenden Feuer heimgesucht. Also, alte Gebäude gibt es nicht, dafür aber jede Menge hübsche Denkmale, die an die historische Bedeutung der Stadt erinnern. Etwa das Hemiciclo de la Rotonda, auf dem Statuen von Simón Bolívar und José de San Martin gebaut sind. 1822 besiegelten die beiden in Guayaquil die Aufteilung des westlichen Südamerikas. Im Halbkreis hinter den Statuen wehen die Flaggen der südamerikanischen Länder. Durch die kreisförmige Anordnung können sich übrigens zwei Menschen an den jeweiligen Enden des Denkmals stellen und sich kristallklare Nachrichten durch die Wände senden. Dies wurde erst vor ein paar Jahren entdeckt, erzählt Nayib mir, nachdem wir das Ganze lachend ausprobiert haben.
Galapagos-Riesenschildkröten mitten in der Stadt
Danach wandern wir am Rio Guayas den Malécon Simón Bolívar entlang. Der 2,5 Kilometer lange Uferpark ist von Monumenten, Kinderspielplätzen und kleinen, beeindruckenden Gärten gesäumt. Man kommt sich vor wie in einer Innenstadtoase. Am Ende des Malécons machen wir einen Schlenker nach links und landen auf dem Campus de la Espol. „Hast du eigentlich schon mal eine echte Galapagos-Riesenschildkröte gesehen“, fragt mich Nayib, und während ich ihn von einer Fast-Riesenschildkröte, mit der ich bei der Isla de la Plata geschnorchelt bin, volltexte, weist er plötzlich auf ein Gehege vor unseren Füßen – mit echten Galapagos-Riesenschildkröten! Mitten in Guayaquil! Und umsonst! Da ich aus Kostengründen auf einen Trip nach Galapagos verzichte, scheint Guayaquil ja wirklich das Richtige für mich zu sein: Jetzt habe ich hier schon die Leguane und die Riesenschildkröten zu Gesicht bekommen!
Ein Museum ganz für uns alleine
Beschwingt gehen wir danach noch ins nur wenige Minuten entfernte Feuerwehrmuseum. Der Eintritt ist frei und der Empfangsmitarbeiter freut sich über uns, die wir die einzigen zwei Gäste sind. Es macht mit uns eine private Rundtour inklusive Fotoshooting im Feuerwehrauto und mit Helm. Wir sehen interessante historische Autos, Uniformen, jede Menge stolze Portraits und diverse Schläuche. Am Ende erzählt der Museumsmitarbeiter mir etwas auf Spanisch, das ich nicht verstehe, das aber sehr nett klingt und schenkt mir ein Malbuch mit Feuerwehrautos. Also, wenn sich dieser Ausflug nicht gelohnt hat.. Langsam werde ich wegen der Mittagssonne aber doch recht müde, ich drücke Nayib 15 Dollar in die Hand und setze mich in ein Taxi. Es schreit nach Pool.
Guayaquil, ein echter Geheimtipp
Zurück im Hostel treffe ich dann auch ein paar Zimmergenossen und erzähle von den Leguanen. Kurze Zeit später steht fest: Wir fahren zurück in die City zum Iguana-Park.
Am nächsten Tag mache ich mich mit einem Mitarbeiter des Hostels noch zum riesigen Iguana-Denkmal auf, das fußläufig zu erreichen ist. Es ist aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt und eignet sich wunderbar für Erinnerungsfotos. Am Abend landen wir an einem zweiten Malécon, bei dem auch Wasserlichtspiele zu sehen sind, die wir gemeinsam mit diversen Kakerlaken und bei Genuss einer gebratenen Banane von einem Aussichtsturm aus beobachten.
Für mich steht jetzt fest: Ich war eineinhalb Monate in Ecuador und Guayaquil war ganz klar eines der lohnenswertesten Ziele!