Buchtipp: Gehen, um zu bleiben von Anika Landsteiner

Buchtipp: Gehen, um zu bleiben von Anika Landsteiner

Terrorismus, Kriminalität, Flugzeugabstürze – Viele Menschen hält Angst vor Reisen in die Ferne ab. Anika Landsteiners Buch Gehen um zu bleiben ist ein Plädoyer für Reiselust: Statt zu Hause zu bleiben, sollten wir noch viel mehr raus, unbekannte Ziele entdecken, fremde Menschen kennenlernen, neue Geschmäcker kosten! Neugierig? Dann schnuppere hier ins Buch rein.

Reiseinspiration

Prolog

Das ist meine Stadt.

Ich war sicherlich nicht die Erste, die das beim Anblick New Yorks dachte, und ich wage zu behaupten, dass kaum jemand, der einmal hier oben auf dem Empire State Building stand, sich dem Sog dieser Stadt entziehen konnte.

Das war nicht nur ein Haken auf meiner „Bucketlist“, einer Liste der Dinge, die ich in meinem Leben auf jeden Fall einmal tun oder sehen wollte, das war auch kein scheiß Herzklopfen, zumindest nicht nur. Das war ein riesiger Plan, der sich auf einmal wie selbstverständlich vor mir entfaltete. Er erschien mir ganz klar und genauso strukturiert wie das Straßennetz unter mir: Irgendwann, wenn ich älter war, würde ich hier leben. Ich würde morgens mit meinem Coffee to go durch die Straßen hetzen, ich würde bei Regen in Dreiviertelhose und Ballerinas über Pfützen springen, ich würde im Sommer auf den Dächern sitzen und mit Freunden grillen, denn ich würde, ganz einfach, eine von ihnen sein und ich würde die Zeit meines Lebens haben.

New York und ich, wir waren wie füreinander gemacht. Und es war mir ziemlich egal, dass ich mich mit dieser Feststellung in eine Schlange hoffnungsloser Großstadtromantiker einreihte, die bereits im Flugzeug über Manhattan glaubten, hierherzugehören.

Einen Tag nach meiner Rückreise, als ich vom Jetlag geschlaucht auf dem Sofa lag und schlief, kollidierte das erste Flugzeug mit dem Nordturm des World Trade Centers. Ein paar Minuten später rief mich meine Tante an und sagte mir, ich solle den Fernseher anschalten. Ich sah zu, wie das zweite Flugzeug in den Südturm flog. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich dabei weinte, ob ich an die Eintrittskarte auf meinem Schreibtisch dachte, oder ob ich meine Freundin anrief, die vor ein paar Tagen mit mir dort oben gestanden hatte. Ich war damals vierzehn Jahre alt, doch was diesen elften September im Jahr 2001 angeht, klafft in meinem Gedächtnis eine große Lücke. Auch an den Tag, an dem das World Trade Center auf dem Sightseeing-Plan stand, erinnere ich mich heute kaum noch. Nur noch an dieses Gefühl, als ich dort oben auf der Plattform stand, während der Wind des Spätsommers durch mein Haar fuhr und ich mich unsterblich in diese Stadt verliebte.

Sechzehn Jahre später blicke ich auf viele bereiste Länder zurück. Auf Nachtzugfahrten durch China und einen Roadtrip durch Kalifornien. Auf zwei Monate Leben in Kolumbiens ehemaliger Drogenhochburg Medellín und knapp drei Monate Auszeit im Warm Heart of Africa, Malawi. Und manchmal, wenn ich ins Flugzeug steige, frage ich mich, welches Leben ich führen würde, hätte ich nach diesem Tag im September einen anderen Weg eingeschlagen. Meine Träume weggepackt, meine Reiselust nie aufkeimen und stattdessen meine Ängste überwiegen lassen.

Zwei Tage vor dem Einsturz des World Trade Centers habe ich New York verlassen, kurz vor den Attentaten in Paris bin ich mit Freunden in der Herbstsonne entlang des Kanals Saint-Martin flaniert und vier Wochen vor den Anschlägen in Brüssel habe ich dort mit einer Freundin in der Innenstadt belgisches Bier probiert.

Was ich damit sagen möchte: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn Menschen, die reisen wollen und Spaß daran haben, in andere Kulturen einzutauchen, sich von ihren Ängsten davon abhalten lassen. Die Welt ist nicht zu einem gefährlicheren Ort geworden – wir bekommen tragische Ereignisse in Zeiten von Social Media nur heftiger, schneller und hautnaher mit.

Statt zu Hause zu bleiben, sollten wir genau das Gegenteil tun: Wir sollten noch viel mehr rausgehen. Internationale Freundschaften knüpfen und kulturelle Unterschiede nicht nur verstehen lernen, sondern zwischen ihnen Brücken bauen. Neue Geschmäcker mit der eigenen Zunge entdecken und der Nase nach durch stinkende Metropolen laufen. Auf einem Hochplateau oder am Meer zur Ruhe kommen und Tuk-Tuk-Fahrer nach ihrem Lieblingsort fragen. Die Arme ausbreiten, einfach mal atmen, denn so trivial das klingen mag, wir vergessen es viel zu oft, das Atmen. Und, schlussendlich: mehr über uns selbst erfahren.

Der beste Zeitpunkt, um wieder aufzubrechen? Immer jetzt. Alles auf Anfang – alles von vorne.

Mehr über das Buch und die Autorin

Gehen, um zu bleiben – Wie ich in die Welt zog, um bei mir anzukommen ist im Mai 2017 im Goldmann Verlag erschienen. Was Anika Landsteiner motiviert hat, ein Buch zu schreiben, welches ihre schönsten und schwierigsten Momente auf ihren Reisen waren und wie sie mit Fern- und Heimweh umgeht, erzählt die Reisebloggerin im Interview.

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