rocky mountains colorado
25.11.-06.12.2016

Die fantastische Reise mit dem Zug durch die Rocky Mountains

Das Beste kommt zum Schluss!


Mehrere Monate bin ich mit dem Zug durch 38 Bundesstaaten der USA gefahren. Mehr als 18.000 Kilometer lang habe ich mich von dem Klappern der Räder auf den Schienen begleiten lassen. An meinem Fenster flogen Berge, Ozeane und Wolkenkratzer vorbei. Meine Zugreise teilte sich in sechs große Einzelabschnitte. Kürzlich wurde ich gefragt, welche denn die schönste gewesen sei.


Der Sieg geht ganz klar an den California Zephyr, der von Chicago nach San Francisco fährt. Auf dieser Strecke geht es von der Wolkenkratzerstadt Chicago am Michigansee zunächst durch die eher unspektakulären Landschaften von Iowa und Nebraska nach Denver in Colorado. Hier beginnen die ersten Hügel in den Himmel zu ragen. Von Denver aus schiebt sich der Zug bald über spektakuläre Bergpässe durch die schroffen, grau-braunen Steinfelsen der Rocky Mountains. In Utah verändert sich die Farbe der Felsen in leuchtendes rot und nimmt skurrile Formen an. Über die Bergpässe der Sierra Nevada in Kalifornien geht es weiter bis an die Pazifikküste nach San Francisco.


Die Strecke des California Zephyr war die letzte auf meiner Reise und meine Freundin Angelika hatte sich überlegt, mich bei meinem großen Finale zu begleiten. Bei CRD International buchte sie kurzer Hand ihr Rundum-Sorglos-Paket (und bescherte mir damit auch zum ersten Mal die Ehre, in einem Schlafwaggon zu nächtigen) und flog nach Chicago, wo ich schon sehnsüchtig auf sie wartete.

Tagebuch

Tag 1 – 25.112016 – #

Ankunft in Chicago

Als ich in Chicago ankomme, fühle ich mich wie in einer Parallelwelt. Die letzten zwei Tage, inklusive Thanksgiving, habe ich nämlich in Arthur, Illinois bei einer Amischen Familie verbracht.


Joe, den Familienvater, hatte ich ganz zu Anfang meiner Reise, während der Zugfahrt von Boston nach Seattle kennengelernt. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und er lud mich zu sich nach Hause ein. Die Einladung nahm ich nach etwas Zögern letztlich an und verbrachte somit drei Tage in einer Welt ohne Elektrizität, mit Kutschen statt Autos sowie morgen- und abendlichen Andachten auf Knien vor einem Schreibtischstuhl.


Jetzt zurück in der Zivilisation zu sein, in der alle Menschen permanent auf ihre Smartphones starren, ist ein komisches Gefühl. Ich mache mich direkt auf den Weg ins Kimpton Gray, das Angelika für uns gebucht hat, um diesem Großstadtgewusel noch für eine zeitlang zu entfliehen. Am Kamin in der Lobby warte ich auf ihr Ankunft.


Das Hallo ist riesig und ich freue mich sehr, nach so langer Zeit wieder ein vertrautes Gesicht an meiner Seite zu haben. Ich muss gestehen, dass dieses Langzeit-Alleine-Reisen nichts für mich ist. Wir verziehen uns auf unser Zimmer und außer einem schnellen Abstecher zum Dinner, quatschen wir uns einfach nur den Mund fusselig.

Tag 2 – 26.11.2016 – #

Sightseeing in Chicago

Turnschuhe an und auf geht's! Heute wollen wir Chicago erkunden. Da die meisten Sehenswürdigkeiten auf unserer Liste sowieso in und um Downtown herum liegen, brauchen wir auch keine Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel.


Zum Frühstück sind wir mit einer Freundin von Angelika verabredet, die uns ins the Goddess und The Baker führt. Die beste Wahl! Wenn der Morgen mit einem Avocado-Brot und gutem Kaffee beginnt, kann nichts mehr schief gehen.


Mit ordentlich Koffein im Blut geht es bei strahlendem Sonnenschein auf Sightseeing Tour in Chicago. Da wir sowieso in Downtown sind, laufen wir einfach drauf los. Der riesige, auf Bildern so beeindruckend aussehende, Buckingham-Brunnen im Grand Park ist im Winter nicht in Betrieb, wie wir feststellen müssen. Gut, das ist durchaus verständlich, denn in Chicago wird es wirklich kalt im Winter und vom See her weht meist eine klirrend kalte Brise.


Wir spazieren zum Millennium Park weiter. Heute ist ein recht warmer Tag, so dass es herrlich absurd aussieht, wie die Menschen teilweise in T-Shirt und Schlittschuhen über's Eis flitzen. Über die Millennium Park Bridge gehen wir auf die andere Seite, wo wir (wie wohl alle Touristen in Chicago) ein paar Spaßbilder am auf Hochglanz polierten Cloud Gate, oder anders: der Bohne, machen. Wir beobachten andere Besucher dabei, wie sie (jaja, wie wir eben noch) Grimassen und Verrenkungen machen.


Auf unserem Spaziergang Richtung Norden biegen wir kurz in die East Washington Street ein, wo das Chicago Cultural Center steht. Hier drin kann man kostenlos den Tiffany Dome besichtigen. Eine beeindruckende Kuppel, durch die das Sonnenlicht durch abertausende kleine Mosaiksteine funkelt.


Ein Highlight eines jeden Chicago Kurzbesuchs ist übrigens das John Hancock Center, wo es das 360 Chicago Observation Deck gibt. Von dort oben hat man einen fantastischen Panoramablick über die ganze Stadt. Das Ticket für das Deck kostet happige 20,50 USD (19,30 EUR). Wir haben keine Lust, das zu zahlen. Wir schummeln uns anders nach oben: ein anderer Fahrstuhl führt hinauf in den 95. und 96. Stock, wo die The Signature Lounge und Roomzu finden sind; ein Restaurant und eine Bar. Hier kannst du bei einem Cocktail, einer Mahlzeit oder einem Kaffee den Blick auf Chicago genießen. Wir waren übrigens nur für ein schnelles Foto oben, das geht auch.


Wir haben nämlich Bärenhunger und landen zufällig bei Doc B’s, was sich als fantastisches Restaurant herausstellt. Alle Zutaten sind frisch und es gibt einen köstlichen Quinoa und schwarze Bohnen Burger.


Aufgewärmt und mit vollem Bauch haben wir wieder Kraft, weiter durch die Stadt zu spazieren. Wir biegen ab in Richtung Michigansee. Obwohl der Wind kalt pfeift, joggen und radeln die Sportler die Promenade entlang. An einem kleinen Strand vorbei gelangen wir zum Navy Pier, einer kleine Amüsiermeile. Im Inneren des Gebäudes gibt es zahlreiche Restaurants, Cafés und Souvenir Shops. Draußen steht ein Riesenrad und von den Brücken aus starten die Schiffe zu Hafen- und See-Rundfahrten.


Wir schauen noch ein bisschen auf die mittlerweile nächtliche Skyline und gehen dann ins Hotel, unsere Sachen packen. Morgen geht es auf die Schienen gen Westküste.

Tag 3 – 27.11.2016 – #

On the Rails again

Heute morgen sind Angelika und ich beide sehr aufgeregt. Angelika, weil es heute für sie zum ersten Mal in den Amtrak und auf die Schienen geht. Ich bin aufgeregt, weil ich heute nach mehreren Monaten Zugfahren meine finale Strecke antreten werde. Das fühlt sich irgendwie komisch an.


Aber erstmal: on the Rails again!


„Never change a winning team“, so sagt man, oder? Wir gehen einfach wieder zu Goddess and The Baker zum Frühstück, probieren aber eine andere, noch schönere, Filiale aus.


Wir fahren schon zeitig zur Union Station, denn als Schlafwaggon Reisende dürfen wir die Amtrak Lounge, in der es kostenlose Getränke und Snacks gibt, nutzen. Plötzlich ist Angelika weg und kommt nach wenigen Minuten freudestrahlend wieder. In der Vorhalle der Lounge steht die Lok aus Polarexpress, einem ihrer Lieblingsfilme.


Voller Euphorie geben wir unser Gepäck auf. Das ist übrigens komplett unnötig. Man muss am Ankunftsort relativ lange warten, bis man es zurück bekommt und in den Waggons ist genug Stauraum, auch für größere Koffer.


Ich bin ganz hibbelig, weil ich zum ersten Mal in ein sogenanntes Roomette einchecken darf. Als Schlafwaggon-Reisende dürfen wir als erste hinzu steigen. Unser kleines Zimmerchen hat zwei gegenüberliegende Sitze. Abends wird eine Liege, die an der Seite zur Decke befestigt ist runtergeklappt und die beiden Sitze zu einer weiteren Liegen zusammen geschoben. Schwups, haben wir ein Etagenbett als Zimmerchen. Wir nutzen die Waschräume unseres Waggons, die auch sehr sauber sind. Es gibt hier im Schlafwagen sogar eine Dusche.


Gleich nachdem der Schaffner kommt und unser Ticket scannt, packen wir unsere Naschsachen, Bücher und Schreibutensilien und gehen in das Lounge Car. In diesem Abteil gibt es große Fenster an den Seiten und auf dem Dach. Der Waggon ist in drei Bereiche aufgeteilt. Oben gibt es eine Art Zweiersofas, die direkt zum Fenster hin gedreht sind und einen Bereich mit Tischen und Sitzbänken. Unten sind weitere Tische und eine Snackbar, an der man Getränke, Snacks und warmes Fast Food kaufen kann.


Die Lounge ist eine Art Gemeinschaftsraum. Hier trifft man sich und kommt schnell mit anderen Menschen ins Gespräch. Am Tisch gegenüber von uns sitzt eine Frau, die ein wunderschönes Tagebuch malt. Sie verziert ihre Notizen mit unterschiedlichsten Farben und zeichnet kleine Bildchen dazu. Wir kommen mit ihr ins Gespräch. Sie heißt Christie und arbeitet tatsächlich für National Geographic. Sie schreibt ebenfalls eine Geschichte über die Zugreise von Chicago nach San Francisco und hat zig Fragen zu meinen vorherigen Zugreisen.


Wir verstehen uns so gut, dass wir entschließen, gemeinsam zu Abend zu essen. Jeder Passagier hat die Möglichkeit, die Mahlzeiten im zugeigenen Diner zu sich zu nehmen. Für uns Schlafwaggon-Passagiere sind diese sogar im Zugticket inbegriffen. Zu uns an den Tisch wird noch eine weitere Dame gesetzt. Sie scheint sehr wirr und merkt nicht, dass der Kellner fast über ihren Rucksack fällt, weil sie ihn weit in den Gang gestellt hat. Dann schüttet sie ihre Cola um. Wenn wir reden, fällt sie uns ins Wort. Als Angelika redet, lehnt sie sich breit grinsend und mit aufgerissenen Augen immer näher an sie heran. Gut, auch solche Leute trifft man im Zug.


Wir essen schnell unseren Nachtisch, verabschieden uns herzlich von Christie und eilen in unser Abteil, das bereits in das Etagenbett verwandelt wurde. Sachte schunkelt uns der Zug auf den gleichmäßig ratternden Gleisen in den Schlaf.

Tag 4 – 28.11.2016 – #

Ein Tag in Denver

Bei Denver muss ich als erstes an die Fernsehserie aus den Achtzigern denken. Vermutlich denken Amerikaner bei Denver als erstes an Grünzeug. Denn Colorado war der erste Staat, der Marihuana legalisiert hat. Wir wollen heute sehen, was die Stadt ausser lustigen Gras-Esswaren noch zu bieten hat.


Als wir das Gebäude der Union Station in Denver betreten, staunen wir nicht schlecht. So einen Bahnhof habe ich noch nie gesehen. Es sieht aus wie in einer Hotellobby. Überall stehen gemütliche, dicke Ledersofas oder geschmackvolle Midcentury Sessel an kleinen Couchtischen. Es gibt Cafés und Restaurants mit frischem, gesunden Essen. Auf den Esstischen stehen große goldene Lampen. Wir nehmen in den breiten Lederstühlen davor Platz und verputzen unser warmes Oatmeal. Wie wir eben erfahren haben, müssen wir mindestens eine halbe Stunde lang auf unser Gepäck warten.


Unser Hotel, das Quality Inn, liegt nicht direkt im Zentrum der Stadt, bietet aber dafür einen kostenlosen Shuttle Service an, der auch schon auf uns wartet, als wir mit unserem Gepäck aus dem Bahnhof kommen. Beim Einchecken treffen wir auf andere Gäste, die sich breit grinsend ein bisschen eigenartig verhalten. Da fällt bei uns der Groschen: Denver, die Marihuana Hauptstadt! Colorado war der erste Staat, der das Grünzeug legalisierte. Als wir später ins Stadtzentrum fahren fällt uns auf, dass tatsächlich überall Geschäfte sind, die Cannabis verkaufen, meist in form von „Edibles“ (Esswaren).


Um ehrlich zu sein, finden wir die Innenstadt von Denver recht unspektakulär. An der 16th Street befinden sich einige Geschäfte, Restaurants und ein kleines Mall, aber ansonsten gibt es nicht viel zu entdecken. So entscheiden wir uns für’s Kino und gucken Fantastic Beasts; genau das Richtige in der Vorweihnachtszeit. Die Sitze in dem Kino sind der Wahnsinn! Große Ledersessel, bei denen sich die Rückenlehne nach hinten fahren und die Fußstützen hochklappen lassen. Ich schlafe kurz ein, so gemütlich ist das.


Zum Abendessen fahren wir in den River North Distrikt zu The Source. The Source ist eine 1880 erbaute alte Backsteinhalle, die heute als moderner Food- und Kunstmarkt dient. Neben kleinen Designshops gibt es frische Produkte vom Metzger und Bäcker. Uns gefällt es hier sehr gut und wir entschließen uns, im Comida zu Abend zu essen. Hier gibt es traditionell mexikanisches Street Food mit einem modernen Twist. Wir nehmen direkt an der Bar Platz und bestellen uns Chorizo Quesedillas, Avocado Tacos und gesalzene Jalapeños (verdammt scharf!). Wie gut, dass wir einen Margarita zum Löschen haben. Wir kommen mit dem Bartender über Gin ins Gespräch. Kurzer Hand werden wir in ein Slow-Tasting verwickelt und es ist das erstmal Mal überhaupt, dass ich den aktuellen Gin-Hype verstehe.

Tag 5 – 29.11.2016 – #

Ein Ausflug in den Red Rock Mountain Park

Weil Denver nicht so viel hergibt, wir aber wissen, dass sich vor den Toren der Stadt wunderschöne Landschaften befinden, buchen wir einen Tagesausflug mit Gray Line in die Denver Mountain Parks.


Ausschlafen ist heute nicht drin! Früh morgens werden wir von dem Tourenanbieter Gray Line an unserem Hotel abgeholt, um die Mountain Parks um Denver herum zu besichtigen.


Der Red Rocks Mountain Park ist der Erste. Er zieht sich an der östlichen Seite der Rocky Mountains entlang und ist für seine roten, bist zu 90 Meter in die Luft ragenden Sandstein-Felsen bekannt. Mitten drin liegt ein Amphitheater. Hier sind schon viele Weltstars wie Jimi Hendrix und The Beatles aufgetreten. In einem kleinen Museum erzählen Musiker von ihrer Erfahrung, in dieser unglaublichen Kulisse ein Konzert spielen zu dürfen. Sie alle sind so begeistert und voller Euphorie, dass ich hoffe, eines Tages hier ein Konzert sehen zu dürfen. Es muss ein unvergessliches Erlebnis sein.


Wir schlängeln uns weiter durch die tiefen Schluchten des Bear Creek Canyon zu Buffalo Bills Grab. Hier steht ein kleines Museum, in dem die Lebensgeschichte Buffalo Bills erzählt wird. Seine Buffalo’s Wild West Show mit Indianern und Rodeo Reitern war die erfolgreichste Wild West Show überhaupt und ging sogar in Europa auf Tour. Hier oben auf dem Lookout Mountain stehen wir am Grab des großen Entertainers. Zugegeben: der Ausblick auf Denver und das Tal ist weitaus spektakulärer.

Tag 6 – 30.11.2016 – #

Durch die Rocky Mountains nach Glenwood Springs

Angelika und ich betreten heute in der ganz normalen Sitzabteil-Klasse den Zug, denn wir haben nur eine Fahrt von knapp sechs Stunden vor uns. Bei strahlendem Sonnenschein setzt sich der Zug in Bewegung. Unsere zugewiesenen Sitzplätze ignorieren wir gänzlich und stürmen direkt in die Lounge Car, weil dieser Streckenabschnitt der das Highlight der California Zephyr Strecke sein soll.


Als wir uns auf der rechten Seite an einen der Tische setzen, kommen wir direkt mit dem freundlichen Herren gegenüber ins Gespräch. Er erzählt uns, dass er aus Glenwood Springs und diese Strecke schon oft gefahren sei. Seine Meinung: hier, auf seiner linken Seite sei die Aussicht noch viel besser. Er bietet uns an, Plätze zu tauschen. Wie nett die Leute im Zug doch immer sind!



Direkt hinter Denver geht es leichte Hügel hinauf. Sie leuchten in der Sonne und sind übersät mit Nadelbäumen. Mehr und mehr verschwindet die braune Erde zwischen den Bäumen und verwandelt sich in schroffe Felsen. Der Zug wird immer langsamer und wir spüren, wie er sich mit Mühe die steilen Gleise am Berg hochzieht. Wir knattern durch Tunnel und über Brücken. Plötzlich sind wir mitten in den Rocky Mountains. Manchmal fahren wir durch Fels-Schneisen, die wirklich nur für unseren Zug gemacht sind, denn links und rechts ist nicht mehr als eine handbreit Platz. Wie gut, dass das Dach der Lounge Car aus Glas ist, so können wir unsere Köpfe weit in den Nacken legen und die Gipfel der Berge sehen. Ja, das sind Rocky Mountains; sie machen ihrem Namen alle Ehre.


In manchen Tälern sehen wir unten Flüsse entlang rauschen, an dessen Ufern das Wasser gefroren ist. Als wir aus dem knapp zehn Kilometer langen Moffat Tunnel herausfahren, befinden wir uns plötzlich im Winterwunderland. Wir sind auf einer Art Hochebene und mitten in einem Skigebiet. Wir sehen Sessellifte und Menschen, die gerade die Hügel auf Snowboards und Skiern hinab düsen.


Nach ein paar weiteren Kurven, in der die Räder des Zuges an den Schienen entlang quieken, verlasse wir die hohen Berge und die Hügel werden wieder sanfter. Die Schneedecke wird dünner. Ab und zu wachsen noch Felsen in die Höhe, auf denen ganz oben mit weißen Flocken bedeckte Tannenbäume stehen. Es sieht ganz zauberhaft aus.


Der Bahnhof in Glenwood Springs ist eine ganz niedliche Haltestelle mit einem schnuckeligen Häuschen davor. Es warten keine Taxen am Bahnhof. So gehen wir ins das direkt gegenüber liegende The Hotel Denver. In der gemütlichen Lobby wartet ein freundlicher Herr auf Gäste. Obwohl wir nicht zu denen zählen, ruft er uns gerne ein Taxi. Das Einzige in diesem Ort, wie wir übrigens später erfahren. Putzig, nicht?


Wir warten in der warmen Lobby auf das Taxi. Hinter einer Glastür prosten sich Menschen fröhlich an einer Bar zu. Sie gehört zu der Glenwood Brewing Company, einer lokalen Mikrobrauerei. Wenn ich wiederkomme, würde ich auf jeden Fall hier einchecken.


Unser Taxi (oder anders: das Taxi des Ortes) fährt uns ins Hampton Inn, das nur einen knappen Kilometer entfernt ist. Mit unserem Gepäck und bei dem kalten Wetter wäre das leider kein schöner Spaziergang gewesen. Ansonsten erreicht man aber alles in Glenwood Springs locker zu Fuss.


Wir checken ein und freuen uns, dass der Tag noch recht jung ist, denn so können wir direkt die Vorzüge dieses kleine Ortes nutzen. Glenwood Springs ist ein natürliches Spa-Paradies. Es gibt heiße Mineral-Quellen, ein ganzes Schwimmbad aus heißen Quellen und sogar ein natürliches, tief im Berg gelegenes Dampfbad.


Wir beginnen mit den Iron Mountain Hot Springs. Die 16 kleinen Mineralbäder mit unterschiedlichen Temperaturen liegen direkt am Flussufer des Colorado River. Als wir aus der Umkleidekabine kommen, müssen wir kurz stark sein, um nur in unseren Badeanzügen gekleidet durch die winterlichen Temperaturen zu den Bädern zu gehen. Die sind wirklich heiß. Langsam steigen wir in unseren Bottich hinein (er ist wirklich sehr warm. Und ein kleiner Tipp: nicht unbedingt morgens die Beine rasieren! Das zwirbelt ganz schön.). Nach wenigen Sekunden und einer Menge „Aaaah, ooohhh, hui!“ lassen wir uns mit einem zufriedenen Seufzer auf die Sitzbank in dem Bad fallen und genießen die Aussicht auf den Fluss und die Berge.


Es ist einfach himmlisch. Wir probieren noch ein anderes Bad aus und sagen uns immer wieder, wie schön das Leben doch ist.


Zum Abendessen gehen wir in den Ort, der im Prinzip aus einer kurzen Hauptstrasse und ein paar Seitenstrassen besteht. Die guten Restaurants und Cafés liegen alle in einem Block. Aus dem ersten Restaurant, welches uns der nette Herr im Zug empfohlen hatte, müssen wir leider direkt wieder raus, weil ein Musiker ganz fürchterlich schief Klavier spielt. Zufällig schauen wir nebenan durch das Fenster des Co. Ranch House. Drinnen sieht es aus wie in einer Berghütte. Vor der Eingangstür steht hinter einer kleinen Kommode ein Couchtisch und ein hübsches altes Ledersofa. Die Wände sind mit Holz vertäfelt und an den Hörnern der Geweihe, die an den Wänden hängen, baumeln Weihnachtskugeln. Hier machen wir es uns kuschelig. Auf der Webseite des Restaurants steht „We are not in the restaurant business, we are in the business of taking care of people.“ Das können wir bestätigen. Hier hat jedes Gericht und jeder Drink eine Geschichte. Der freundliche Kellner erzählt uns, von welchem Hof das Wildfleisch kommt und wie der Typ so drauf ist, der den Gin liefert. Bin ich froh, dass die Klaviermusik vorhin so schlecht war und wir hier gelandet sind.

Tag 7 – 01.12.2016 – #

Wellness pur in Glenwood Springs

Glenwood Springs bietet viele Möglichkeiten, es sich richtig gut gehen zu lassen. Wir machen es uns heute schön. Nach einem ausgiebigen Frühstück erkunden wir den Ort und natürlich: noch mehr Spa Möglichkeiten.


Nach einem entspannten Frühstück im Hotel spazieren wir in den Ort und bummeln durch die Geschäfte und Souvenirläden. Zum Mittag gehen wir ins The Pullman, das ein bisschen an ein schickes Loft erinnert. Die Wände sind aus Backstein und von der Decke hängen einzelne Glühlampen. Hinten befindet sich die offene Küche. Wir bestellen Wild-Tacos und scharfen Rosenkohl mit Hummus. Auch hier ist das Essen fantastisch.


Unser nächster Spa Termin führt uns mitten in einen Berg. In den Yampah Spa and Vapor Caves fließt ein unterirdischer heißer Mineralien-Fluss, der die Hohlräume auf eine Temperatur von ungefährt 52°C heizt und mit seinem Dampf zu natürlichen Dampfbädern macht. In dem Berg gibt es drei verschiedene Hohlräume.


Wir gehen eine steinige Treppe hinunter. Die Wände hier sind schon ganz feucht von der Wärme. Hier unten herrscht eine dumpfe Stille, die ab und zu durch ein paar Wassertropfen unterbrochen wird. In den Räumen stehen Marmorbänke. Wir legen uns hin, entspannen und atmen die mineralienhaltige Luft tief ein. Als uns zu warm wird, brausen wir uns kurz mit kalten Wasser ab und legen uns oben in einen Ruheraum, in dem bereits kaltes Zitronenwasser auf uns wartet. Neben den Mineral-Höhlen bietet das Spa viele weitere Anwendungen von Mineral-Bädern, über Massagen, bis hin zu Kosmetikbehandlungen.


Als wir wieder in die frische Luft treten ist uns schon gar nicht mehr so kalt. Wir bummeln langsam durch die winterlichen Temperaturen zum Blue Bird Café auf der Main Street. Bei einem kleinen Kaffeekränzchen freuen wir uns, dass wir dieses kleine Spa Paradies auf unserer Zugreise entdeckt haben.


Um auch wirklich alle natürlichen Quellen zu nutzen, gehen wir in der Abenddämmerung noch zu der größten heißen Quelle, die dem Ort auch den Namen gegeben hat: den Glenwood Hot Springs. Sie sehen eher aus wie ein großes Schwimmbad, sind aber wie die anderen Quellen wohltuend warm und gerade jetzt in der Dunkelheit, wenn die vielen Lichter im und um das Wasser herum leuchten, ist es wahnsinnig gemütlich. Wir paddeln noch ein paar Runden umher, bis wir wieder Hunger haben (Spa macht aber auch hungrig!). Weil es uns so gut gefallen hat, beenden wir unseren Besuch in Glenwood Springs mit einem weiteren Dinner im Co. Ranch House.

Tag 8 – 02.12.2016 – #

Action in Glenwood Springs und Ankunft in Salt Lake City

Bevor wir uns am frühen Nachmittag in den Zug schwingen, wollen wir hoch hinaus. Glenwood Springs kann neben Entspannung nämlich auch Action. Dafür steigen wir in die Seilbahn, die uns in den Glenwood Caverns Adventure Park fährt, wo riesige Schaukeln über Abhängen baumeln und die Achterbahn über einen Abgrund rauscht. Jetzt im Winter sind einige Fahrgeschäfte nicht in Betrieb, aber der Ausblick von hier oben lohnt sich schon für einen Besuch. Außerdem müssen wir so keine Rechenschaft ablegen, warum wir uns nicht trauen, in diese Adrenalin-Schleudern einzusteigen. Wir genießen lieber den Ausblick und schießen noch ein paar Schabernack-Fotos.


Auf unserer weiteren Zugreise passieren wir kurz hinter dem McInnis Canyon die Grenze nach Utah. Schon bald ändert sich die Landschaft und die für Utah so typischen roten Steinfelsen bestimmen das Bild. Alles sieht wieder ganz anders aus als wenige Gleis-Kilometer zuvor in den Rocky Mountains. Erst in den späten Abendstunden erreichen wir Salt Lake City.


Wir sagen unserem Uber-Fahrer, dass wir ins Peery Hotel möchten. „Oh, aha. Das Hotel in dem es spukt?“. Hervorragend, wir freuen uns jetzt schon. Das 1910 erbaute Hotel wurde erst kürzlich renoviert, aber der alte Charme wurde beibehalten (wenn auch die Teppichmuster in der Lobby Augenflimmern auslösen). Unser Zimmer ist unaufdringlich (ohne wilden Musterteppich) eingerichtet und in Erdfarben dekoriert. Die Matratzen, auf die wir uns sofort fallen lassen, sind unglaublich bequem, so dass wir ganz schnell einschlafen. Von Geistern merken wir nichts.

Tag 9 – 03.12.2016 – #

Salt Lake City

Wir sind im Land der Mormonen und Winterspiele angekommen und sind auf einige Absurditäten gefasst. Was wir aber die nächsten Tage hier erleben, ist doch mehr als wie jemals erwartet hätten.


Als wir am nächsten Morgen aufwachen, brummen wir nur leise vor uns hin und fragen uns, ob wir uns nicht einfach in diesen urgemütlichen Betten durch Salt Lake City schieben lassen können.


Nix! Ab in die Spazierschuhe und los geht’s: zum Frühstück, wir fangen langsam an. Unweit von unserem Hotel befindet sich The Rose Establishment, ein ganz schlicht eingerichtes Café. Hinter der Theke arbeiten bärtige Männer in Karohemden. Es gibt Kaffee in verschiedenen Variationen, die jedes Hipsterherz höher schlagen lassen. Ich entscheide mich bei der Auswahl sogar gegen einen Kaffe und nehme den Cozy Drink aus Honigbusch-Blüten, gewürztem Ahornsirup mit Apfel-Ingwer Bitters, Milch und Muskat. Dazu bestellen Angelika und ich uns veganen Karottenkuchen, Porridge und Avocadobrot. Ein Festmahl und die beste Grundlage für einen Bummel durch die Stadt.


Als es langsam dunkel wird, wollen wir in den Heritage Park fahren. Das ist eine kleine Wild West Stadt mit vielen kleinen Ausstellungen über das Leben der ersten Siedler in Utah. Jetzt in der Vorweihnachtszeit findet hier ein German Weihnachtsmarkt statt. Den müssen wir uns natürlich ansehen. Und tatsächlich: ein Mann in Lederhosen singt, von seinem Akkordeon begleitet, deutsche Weihnachtslieder. Es gibt Glühwein und Waffeln. Wir spazieren von Stand zu Stand und schauen schließlich zu, wie die Sonne hinter den Bergen untergeht.

Tag 10 – 04.12.2016 – #

Salzsee, Indien und Winterolympiade - wirklich!

Wir haben morgens beim Aufstehen noch keine Ahnung, dass wir abends beim Dinner schweigend und Kopf schüttelnd voreinander sitzen werden, weil die Zusammenstellung der Dinge, die wir an diesem Tag erlebt haben, so unwirklich ist.


Heute leihen wir uns einen Wagen, um die Gegend um Salt Lake City herum zu erkunden. Bei Recherchen habe ich ein paar ganz ulkige Sachen gefunden (ein Zeichentrick-Haus, ein Stück Indien, tiefe Salzseen sowie ein mehrmals verkommenes Strand Resort) und wir wollen sehen, ob es die hier wirklich gibt.


Wir fahren zum großen Salzsee, der Relikt des Ursees Bonneville, der während der letzten Eiszeit, fast ganz Utah bedeckt hat. Auch heute noch ist er der größte Salzsee der westlichen Hemisphere.


Bei schönem Wetter schmiegt sich der türkise See an weiße Strände und wenn die Sonne untergeht wirft sie rot und orange Flecken auf die Wasseroberfläche. Heute ist es eher grau in grau, was aber nicht weniger faszinierend ist, denn wir können kaum den Übergang vom Wasser zum Himmel ausmachen.


Am Südwest-Ufer des Sees wurde Ende des 19. Jahrhundert der Salt Air Pavillon erbaut. Das tempelförmige Resort wurde auf mehr als 2.000 Stelzen und Pfählen errichtet. Leider schloss es bereits im Jahre 1906 und stand leer, bis es im April 1925 bei einem Feuer gänzlich zerstört wurde. Neue Investoren bauten den Nachfolger, der aber im Jahre 1931 dann ebenfalls von einem Feuer dem Boden gleich gemacht wurde. Schließlich wurde ungefähr einen Kilometer westlich vom Original, im Jahre 1981 Salt Air III eröffnet. Den Charme von damals hat dieses, eher wie eine Lagerhalle aussehendes, Gebäude gänzlich verloren. Dieses Mal war es aber der See, der das Bestehen von Salt Air III erschwerte. Nachdem das Gebäude nach einer Flut zunächst überschwemmt wurde, zog sich in den folgenden Jahren das Wasser immer weiter zurück, so dass ein Strandresort an dieser Stelle keinen Sinn mehr machte. Saltair III lag wieder brach. Mittlerweile hat die Musikindustrie sich die Location unter den Nagel gerissen und veranstaltet hier in unregelmäßigen Abständen Konzerte.


Noch die vielen Grau-Nuancen des Sees vor Augen, reißt bei unserer Fahrt plötzlich der Himmel auf. Die Sonne lässt unser nächstes Ziel in seinen vielen bunten Farben schimmern. Wir fahren in den Südwesten von Salt Lake City, um mitten in einer Nachbarschaft ein Privathaus zu besuchen. Als wir um die Ecke biegen, erkennen wir es sofort. Eine verrückte Familie hat sich hier ein Zuhause gebaut, das ganz genau so aussieht die das Haus aus dem Pixar Film Up. Es juckt mich in den Fingern und ich möchte am liebsten klingeln, um zu sehen, ob ein kleiner alter Mann mit dicker Hornbrille die Tür öffnet. Jedoch besagt das Schild am Gartenzaun, dass man das Grundstück keinesfalls betreten soll und auch bitte nur ein schnelles Foto macht. Ich vermute, die Besitzer waren sich nicht ganz im Klaren darüber, es bedeutet The Real Up House zu bauen.


Als sei das nicht schon absurd genug gewesen, fahren Angelika und ich weiter Richtung Süden, um ein weiteres architektonisches Meisterwerk (oder Absurdität) zu besichtigen. Eine gute dreiviertel Stunde später, gleich hinter dem Ort Spanish Fork, biegen wir gegenüber der Kirche der Zeugen Jehovas in einen Feldweg ein. Vorbei an einem Kartoffelfeld, sehen wir ihn oben auf dem Hügel schon in der Sonne glänzen - den Hindu Tempel. Ganz genau, mitten im Tal zwischen schneebedeckten Bergen steht der Radha Krishna Tempel (ob die sich bei Bedarf Milch bei den Zeugen auf der anderen Straße leihen?).


Noch völlig verblüfft ob der Kuriositäten, die wir bisher gesehen haben, fahren wir mit unserem kleinen Auto in die Berge. Da Schnee liegt, sind wir uns nicht sicher, wie weit wir hoch fahren können, bevor es uns zu unsicher wird. Langsam und ganz vorsichtig tuckern wir die leicht vereisten Straßen hoch, bis wir an der Seilbahn-Station vom Snowbird Skigebiet ankommen.


Wir parken unseren Wagen und nehmen die Peruvian Tram zum Gipfel des Hidden Peak. Aufwärts werden wir ganz schön gequetscht. Nicht nur nach Rosenwasser riechende Snowboarder pressen sich in die wackelige Kabine. Als wir oben ankommen, befinden wir uns auf einer Höhe von 3.353 Metern. Der Wind pfeift. Direkt neben der Seilbahn springen die Wintersportler auf ihre Skier oder Boards und rasen wieder hinab.


Angelika und ich kämpfen uns, gegen den eiskalten Wind gelehnt, zu einer Aussichtsplattform vor. Wie schön die Schnee bedeckten Berge aussehen. Ich kann allerdings kaum die Kamera halten, so kalt ist es. Wir gehen ins Restaurant und genießen das Panorama mit einer heißen Schokolade durch eine Scheibe hindurch.


Nachdem wir abends den Wagen abgegeben haben, gehen wir in der Nähe des Hotels in einem asiatischen Restaurant namens PF Chang essen. Wir setzen uns und bestellen erstmal einen Drink. Immer noch vollkommenen verstrahlt, wegen der unglaublichen Eindrücke heute, prosten wir uns zu. Als das Essen kommt, strahlen wir über beide Ohren und Juchzen vor Glück beim ersten Bissen. Es schmeckt fantastisch!

Tag 12 – 05.12.2016 – #

Zu Besuch bei den Mormonen

Als ich noch ein Kind und viel bei meinen Großaltern war, wurde ich sehr christlich erzogen. Vor und nach den Mahlzeiten sowie vor dem Schlafen gehen wurde gebetet. Heute bin ich nicht christlich, aber durchaus gläubig. Ich glaube nicht an etwas bestimmtes, aber ich glaube daran, dass Menschen Trost im Glauben finden. Ich bedanke mich oft beim großen, mächtigen etwas da draußen, nur eben nicht bei etwas bestimmten.


Ich höre gerne Menschen zu, dir mir erklären, warum sie genau an ihren Gott glauben. Heute besuchen wir die Mormonen und wollen wissen, was an Vielehe und vielen Kindern kriegen so schön ist.


Mittlerweile steht fest: wenn es uns irgendwo gefällt, haben wir kein Problem damit, uns sofort als Stammgäste erkenntlich zu machen und so gehen wir wieder im The Rose Establishment frühstücken, bevor wir uns langsam Richtung Stadtzentrum aufmachen.


Vielleicht möchten wir uns heute bekehren lassen? Nein, das weniger. Aber wenn wir schonmal in Utah sind, wollen wir uns das Zentrum der Mormonen, Salt Lake City’s Temple Square, ansehen. Wir haben uns für eine kostenlose Tour angemeldet und warten im Besucherzentrum auf unsere beiden Missionarsschwestern, die uns herumführen werden. Wir sitzen in einem Raum, in dem Filme mit Interviews von Menschen laufen, die uns erzählen, wie sich ihr Leben verbessert hat, seit sie Mormonen sind.


Die beiden Schwestern (eine aus Myanmar und eine aus Chile) holen uns ab. Wir bekommen offenbar eine Privataudienz, denn außer uns sind keine anderen Leute bei der Tour dabei. Sie führen uns zunächst in einen oberen Raum, in dem eine riesige Jesusfigur vor einer kitschig angemalten Nachthimmel-Wand steht. Hier erfahren wir alles über die Geschichte und Entstehung des mormonischen Glaubens. Skeptisch hören wir zu.


Wir verlassen das Gebäude und gehen am großen Tempel vorbei, den wir als Nichtgläubige nicht betreten dürfen. Die Schwestern bringen uns zum Tabernakel, dem Zuhause des Mormon Tabernacle Choir. In diesem Konzertsaal, in den bis zu 5.000 Menschen Platz finden, erzählen die Schwestern und mehr über das alltägliche Leben der Mormonen. Angelika fragt, wie es denn heutzutage mit der Vielehe sei. Wir erfahren, dass es sich dabei wohl um ein veraltetes Model der Familiengestaltung handelt und es mittlerweile verpönt sei, aber durchaus noch vorkomme. Die Rolle der Frau im Mormomentum ist ganz klar definiert: sie ist eine Gebärmaschine, die sich um das wohl aller Familienangehörigen kümmert. Das wichtigste im Leben des Mormonen ist die Familie. Ich frage, was passieren würde, wenn sich eine Tochter dazu entscheiden würde, lieber erstmal zu studieren als sofort Kinder zu bekommen. Das könne sie natürlich tun, sagt die Schwester, man kann auch Kinder bekommen und studieren. Mir wird klar, dass es wahrscheinlich nur wenige Karrierefrauen unter den Mormonen gibt. Während die Schwestern weiterreden, simuliere ich starkes Interesse, beobachte aber die ganze Zeit die unglaubliche Orgel, die ganze 11.623 Pfeifen hat. Ich bin doch froh, als der bekehrende Monolog ein Ende hat und wir uns für die Tour dankend bei den Schwestern verabschieden können.


Angelika und ich müssen einen Verdauungsspaziergang machen. Bei strahlendem Sonnenschein gehen wir den Hügel zum Utah State Capitol hinauf. Von hier hat man einen wunderbaren Panoramablick über die Stadt und die drum herum liegenden Berge. Auch ein Blick in das Gebäude lohnt sich. Auf Hochglanz polierte Marmorwände und -säulen zieren den großen Innenraum. Im oberen Stockwerk kann man in den Saal des Abgeordnetenhauses hinein sehen.


Langsam knurren unsere Mägen und wir gehen doch wieder zurück zum Temple Square. Hier gibt es das Lion House Pantry, eine Art Mormonen-Kantine. Das Lion House wurde 1856 erbaut und gehörte einem der Anführer der Mormonen. Heute befinde sich hier ein Restaurant mit ehrlicher Hausmannskost. Am Eingang gibt es eine kleine Bäckerei mit köstlichen Kuchen. Wir gehen jedoch zur Essensausgabe weiter und bestellen Suppe, Lachs und Gemüse. Im Esszimmer stehen alte antike Stühle an großen Tischen. Wir beobachten die anderen Familien, die hier zu Abend essen. Elf Kinder sind hier keine Seltenheit.


Heute ist schon unsere letzte Nacht im Zug. Da es schon spät am Abend ist, als wir in den California Zephyr einsteigen, schlüpfen wir direkt ins unsere Kojen und lassen uns ein letzten Mal von dem Zug in den Schlaf schaukeln.

Tag 12 – 06.12.2016 – #

Ankunft an der Westküste

Heute wachen wir in der Wüste Nevadas auf. Neben vereinzelten Bergen gibt es viel Steppe. Viel nichts. Brauner Sand, kalte Sträucher und endlose Highways. Mich fasziniert das immer sehr. Ich finde es wunderschön. Wie gut, dass wir die Szenerie auch während des Frühstücks weiter beobachten können. Der Speisewagen hat natürlich auch große Fenster. Ich werde es vermissen, bei Pancakes mit Ahornsirup in die vorbeiziehende Landschaft sehen zu können.


Kurz hinter Reno passieren wir die Landesgrenze nach Kalifornien. Wir sind jetzt offiziell an der Westküste angekommen. Ab Martinez führen die Gleise direkt am Ufer der San Pablo Bucht entlang und wir starren wie gebannt auf die Sonnenstrahlen, die auf dem Wasser glitzern.


Da der Amtrak östlich der Bucht hält, steigen wir in Emeryville wehmütig aus dem Zug und nehmen den Bus ins Zentrum von San Francisco. Zwölf wunderbare Tage lang hat Angelika mich im Zug begleitet. Ich bin seit mehr als zwei Monaten im Zug unterwegs gewesen. Als ich das letzte Mal aus dem Zug steige, verdrücke ich ein paar Tränen. Was für ein Abenteuer das war!


Es hätte keinen passenderen Moment gegeben, in das Hotel Carlton einzuchecken, als dieser. Gerade findet die allabendliche Weinverkostung statt. Bevor wir unsere Namen nennen können, haben wir einen Rosé in der Hand. 




Prost, auf’s Bahnfahren! Prost, auf eine unvergessliche Reise quer durch die USA!

Informationen

  • Diese und weitere wundervolle Zugreisen durch die USA kannst du bei CRD International buchen. Die Reisen, die du dort auf der Webseite siehst, sind Reisebeispiele. Du kannst dir deine Traumreise ganz individuell zusammenstellen mit Zwischenstopps, wo auch immer und wie lange du möchtest.
  • Der Amtrak-Zug auf dieser Strecke heißt California Zephyr. Was genau du alles sehen kannst, liest du im Routen-Guide
  • Falls du dir viele Sehenswürdigkeiten in Chicago ansehen möchtest, kannst du dir einen CityPASS einkaufen. Mit ihm sparst du 54% der Eintrittsgelder.
  • Die Tour zu den Mountain Parks um Denver herum kannst du bei Gray Line ab 54,00 USD (50,00 EUR) buchen.
  • Du solltest unbedingt Zeit in Glenwood Springs einplanen. Dieses Örtchen mitten in den Rocky Mountains hat neben diversen heißen Quellen auch wunderschöne Wanderwege und Bergpanoramen zu bieten. Sämtliche Informationen findest du auf der offiziellen Webseite von Glenwood Springs.
  • Auch Salt Lake City bietet einen Pass mit Ermäßigungen für Sehenswürdigkeiten an. Den Connect Pass gibt es in verschiedenen Variationen, je nachdem wie lange du bleibst oder wie viele Sehenswürdigkeiten du besuchen möchtest. Informationen dazu gibt auf der Webseite von Salt Lake City. Den Pass gibt es ab 32,00 USD (30,00 EUR).
  • Was du noch alles in San Francisco erleben kannst, liest du das bald im Landmeedchen City Guide für San Francisco. Bis dahin findest du Tipps in dem Artikel über Meine Zugfahrt entlang der Westküste.

* Vielen Dank an CRD International, mit denen ich diese finale Strecke während meines Zug-Abenteuers in den USA reisen durfte. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, war verrückt, beeindruckend und wirklich: unvergesslich!

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